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Beute-Bayer im Erzstift

LESEPROBE / BIRNBACHER / WEITES LEBEN – WEITES HERZ

27/02/24 Als einziger Erzabt Österreichs und Vorsteher des ältesten Klosters im deutschen Sprachraum lebt der gebürtige Bayer Korbinian Birnbacher zusammen mit 24 Mönchen in der Erzabtei St. Peter. Wie das Leben nach der 1500 Jahre alten Regel des Ordensgründers im Alltag aussieht, erzählt Birnbacher in seinem Buch Weites Leben – weites Herz. Gut leben nach dem Bauplan des heiligen Benedikt.  – Hier eine Leseprobe.

Von Korbinian Birnbacher

Hätte ich mich nicht für das Kloster entschieden, wäre ich wohl Architekt geworden.  Ich habe eine gute räumliche Vorstellungskraft, aber ich bin überzeugt, dass ich an der Geometrie oder an der Mathematik gescheitert wäre. Oder ich wäre am Ende in irgendeinem Architektenbüro gelandet, wo ich Wintergärten und Garagen gezeichnet hätte – nicht die großen Museumsbauten oder gar einen Kirchenbau …

Durch eine außerordentliche Gunst des Schicksals bin ich Abt geworden und damit zwangsläufig auch Bauherr. Dadurch habe ich viel mehr Möglichkeiten, etwas zu gestalten, als ich es in einem kleinen Architektenbüro je gehabt hätte. Die Phase, in der mir das Kunstressort im Kloster anvertraut wurde, fiel in eine glückliche Periode, in der viel umgesetzt werden konnte. Ich habe eine günstige Epoche erwischt, weil man nach dem Zweiten Weltkrieg jahrzehntelang nicht an große Bauten, Sanierungen oder Veränderungen denken konnte.

Allein die Neugestaltung der Bibliothek war eine spannende Herausforderung. Da brauchte es die intelligente technische Umsetzung, um die riesige Anzahl von gut 200.000 Büchern zu verwalten. Es galt, im Kontext der historischen Bauvorgabe eine zeitgemäße Formensprache für eine Bibliothek zu finden, die den wertvollen historischen Bestand nicht erdrückte.

Noch komplexer war die Neugestaltung des Altarraumes in der Stiftskirche. Diese ist nach allgemeiner Einschätzung sehr gut gelungen – vielleicht gerade deshalb, weil man im äußeren Erscheinungsbild des neuen Altarraumes kaum erkennen kann, wie viel tatsächlich umgestaltet wurde. Die benediktinische Quartal­schrift aus Beuron heißt „Erbe und Auftrag“. So sehe ich das: Ich muss das Erbe des Klosters annehmen, aber ich muss es auch weiterentwickeln … Erbe und Auftrag! Ich darf keine museale Käseglocke darüberstülpen, sonst wird es tot. Im neuen Altarraum hat die ganze Gemeinschaft der Mitbrüder Platz. Wir bilden einen Kreis, und jeder weiß, wo er sich hinstellen muss. Jeder kennt die Ordnung und seinen Platz.
Ich bin ein Beute-Bayer
Mein Geburtsort Anger liegt im Rupertiwinkel, jenem Teil von Bayern, der erst 1816 – nach dem Wiener Kongress – von Salzburg abgetrennt und Bayern zugeschlagen wurde. Wir wurden daher von den „richtigen“ Bayern westlich etwa von Teisendorf als „halbe Österreicher“ bezeichnet: „Ihr seid nicht richtig bayerisch.“ Tatsächlich war der Unterschied allein in der Sprache erheblich. Wir sprachen nicht das breite chiemgauerische oder oberlandlerische Bayerisch, sondern wir hatten auch Ausdrücke, die es nur in Salzburg gab. Meine Mutter, Jahrgang 1928, kannte ganz alte Ausdrücke, die es im Bayerischen nicht gab, die ich aber interessanterweise später wieder in Grödig oder in Abtenau gehört habe oder von Pater Jakob, einem Mitbruder, der aus einer eingesessenen Familie in Elsbethen stammt. Zum Beispiel Schuikalier statt Schulranzen oder phonetische Diphthonge wie zum Beispiel Kyriedog für Kirtag.

1821 kam Anger zum Erzbistum München. Damit rückte der Bischof, der in der Salzburger Zeit des Rupertiwinkels ganz nahe gewesen war, plötzlich sehr weit weg. Die Pfarren an den Rändern der neuen Erzdiözese München und Freising, wie beispielsweise Anger plötzlich eine war, wurden vergessen. Deshalb war und ist es für die Menschen meiner Heimat so bedeutsam, dass einer von ihnen Abt von St. Peter ist. Das ist mir erst so richtig bewusst geworden, seit ich selber in St. Peter eingetreten bin. Aber für mich als Angerer war Salzburg schon in meiner Kindheit und Jugend ein Stück Heimat, ein Sehnsuchtsort, eine elegante, großzügige Stadt. Ich bin als Schüler mit dem Fahrrad von Anger nach St. Peter gefahren, ich war historisch und kunsthistorisch interessiert, und die Gebäude haben mich sehr beeindruckt.

Mit sechzehneinhalb Jahren fuhr ich mehrmals mit dem Fahrrad nach Salzburg, um die Landesausstellung „St. Peter in Salzburg – Schätze europäischer Kunst und Kultur“ anzusehen. Insgesamt habe ich diese Ausstellung sechsmal besichtigt. Meine Eltern und Geschwister vermuteten, ich hätte eine Freundin in Salzburg. Ja, ich hatte tatsächlich eine Freundin, aber die war 1300 Jahre alt. Mich hat der Mikrokosmos dieses eindrucksvollen Klosters fasziniert. Die geistige Weite: Naturwissenschaften, Mineralien, kunsthistorische Schätze, die Bibliothek.

Heimat ist nicht unbedingt ein Territorium. Es ist mehr eine Haltung, ein Gefühl. Mir geht es um die Menschen, mit denen ich gern beisammen – beinand – bin. Als Benediktiner sind für mich Orte von großer Bedeutung, an denen ich mich wohl fühle. Mein Freund, der Fernsehmoderator und Regisseur Bertl Göttl, hat nach meiner Abtsweihe eine TV-Sendung mit mir gemacht, in der wir von meiner Heimat Anger mit dem Fahrrad nach St. Peter gefahren sind. Er wollte unbedingt diese Geschichte erzählen, den Weg von Anger nach St. Peter – ein Weg, der historische Zusammenhänge und meinen persönlichen Hintergrund abbildet.

Mit freundlicher Genehmigung des Tyrolia Verlages

Korbinian Birnbacher in Zusammenarbeit mit Josef Bruckmoser: Weites Leben – weites Herz. Gut leben nach dem Bauplan des heiligen Benedikt. Tyrolia Verlag Innsbruck Wien 2024. 176 Seiten 22 Euro – www.tyroliaverlag.at
Buchpräsentation ist am Donnerstag 29. Feber um 19 Uhr im Abteisaal der Erzabtei St. Peter – der Eintritt ist frei, Anmeldung erbeten unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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