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Salzburger von hier und anderswo

BUCHBESPRECHUNG / MENSCHEN AUS SALZBURG / SALZBURG 20.16

08/03/16 Die Enkelin des Journalisten (*2013). Der Großvater des Germanisten (1908 bis 1984). Zwei „Menschen aus Salzburg“ porträtiert von zwei „Menschen aus Salzburg“. Herausgeber des gleichnamigen Sammelbandes sind die beiden – auch im Buch ist man da großzügig – Salzburger Verleger Arno Kleibel und Jochen Jung.

Von Heidemarie Klabacher

Die Enkelin des einen wird, nach eigenen feinen Ritualen, noch ein Weilchen die Welt erforschen, über Kakao oder Schokopudding mit sich verhandeln und ungeliebte Spinnen behutsam in den Garten aussiedeln lassen. Der Großvater des anderen wird… Ja! Er wird ab jetzt auf dem Grünmarkt umgehen. Samstags. Vor der „Theologischen“. Dort, wo Jahrhunderte lang das „Akademische Gymnasium“ untergebracht war, welchem der Herr Hofrat von 1953 bis 1973 als Direktor vorgestanden ist.

Es passt geradezu unheimlich gut zum „Salzburg Bild“ der rezensierenden, gebürtigen und durchaus nicht aus Oberösterreich stammenden, Salzburgerin, die freilich eine Schulzeit „inner Gebirg“ erlebt hat. Es passt dazu, das Bild vom gegrüßten und grüßenden Herrn Professor mit dem Enkelsohn (*1970) an der Hand - der sich freilich schon damals sein Teil gedacht und die Honoratioren mit der Bemerkung brüskiert hat „Aber mein Papa wählt Kreisky“.

„Damals noch eine Selbstverständlichkeit, scheinen mir die Überzeugungen und Denkweisen der Großeltern heute fast aus einer Stifter-Erzählung zu stammen. Überhaupt schlägt mir aus den Texten dieses großväterlichen Lieblingsautors eine ebenfalls längst historisch gewordene, ein wenig beklemmende, aber zugleich innig vertraute, genuin ‚österreichische’ Atmosphäre entgegen“, schreibt Norbert Christian Wolf, der in Innsbruck geborene Salzburger Universitätsprofessor für Neuere Deutsche Literatur in seiner Miniatur „Mein Großvater, der Hofrat“.

Dieser habe den Enkel noch im Volksschulalter „die Baustile und Bauwerke in dieser Stadt zu unterscheiden und mit den Namen der dazugehörigen Erbzischöfen zu verbinden“ gelehrt. „Solche Kenntnisse stehen für seine Auffassung einer Geschichtsschreibung ‚von oben’, die wir in Schule und Universität dann so gründlich ‚zu überwinden’ lernten, und für eine traditionsbewusste Salzburger Gesellschaft, die es nicht mehr gibt (wie gerade jene vergeblichen Versuche deutlich machen, sie wieder zu erwecken).“

Weder über seinen Großvater noch – erstaunlicherweise – überhaupt einen eigenen Beitrag geschrieben hat Arno Kleibel, der zusammen mit Jochen Jung als Herausgeber der „Menschen in Salzburg“ zeichnet. Dabei hat Kleibels Großvater Otto Müller im Jahre 1937 in Salzburg den gleichnamigen Verlag gegründet. Auch nach dem sehr frühen Tod von Otto Müller im Jahr 1956 blieb der Verlag im Besitz der Familie und wird heute von Arno Kleibel, einem Enkel Otto Müllers, geleitet“, heißt es auf der Website.

Jochen Jung dagegen hat – und das erstaunt nun gar nicht – über Thomas Bernhard geschrieben. Der gebürtige Frankfurter ist seit 1975 über den Residenz und dann seinen eigenen Jung und Jung Verlag, oder in jüngerer Zeit über das Literaturfest, so eng mit Salzburg verbunden, dass er schon beinah als Salzburger durchgeht. Er übertitelte seine Miniatur „Auch kein Salzburger: Thomas Bernhard“ und wirft darin einen kurzen schrägen Blick auf den Autor im Gespräch mit Monarchisten auf der Straße oder bei einem Verlagsfest „nur durch Wolfgang Schaffler von Peter Handke getrennt“.

Der Komponist Gerhard Wimberger weiß auch, was sich gehört und bezeichnet sich „nur“ deswegen als Salzburger, weil er seit 88 Jahren hier lebt. Jedenfalls schreibt der 93jährige über Mozart, tatsächlich einen gebürtigen, wenn gleich auch sehr bald nach Wien ausgewanderten Salzburger.

Insgesamt sechzig Persönlichkeiten haben solche Miniaturen geschrieben, Autorinnen und Autoren sind darunter, Kunst- und Kulturschaffende vielerlei Sparten, Journalistinnen und Journalisten, der Erzabt von St. Peter oder Vertreter des öffentlichen Lebens, wie etwa Anja Hagenauer, deren gut gemeinter – und inhaltlich natürlich hochwichtiger Beitrag über zugezogene Frauen  in Salzburg – eine stärker lektorierende Hand vertragen hätte. Stilistisch vom Feinsten ist die Miniatur „Meine Mutter interviewt Salome Alt“ von Andrea Grill, deren Bücher, bis auf das jüngste im Zsolnay Verlag, bei Otto Müller heraus gekommen sind. Unter den Namen der sechzig Be-Schreibenden ist kaum einer, den man nicht kennt.

Unter den Be-Schriebenen sind natürlich einmal alle Salzburger Größen, porträtiert meist von genau denen, die man erwartet. So schrieb Klemens Renoldner über Stefan Zweig oder Hans Widrich (hätte aber auch Jochen Jung sein können) über Peter Handke oder Hans Weichselbaum über Georg Trakl. Ein Glanzlicht: Helga Rabl-Stadler über Gerd Bacher. Auch ein Glanzlicht: Walter Müller über seinen Großonkel Johann Ganster, Tapezierermeister, der - im Alter erblindet - Balladen aufsagend die Länge seiner Stadtspaziergänge an Bürgschaft, Glocke und Erlkönig maß.

Clemens M. Hutter durfte gleich zwei Miniaturen beisteuern. Eine über Christian Doppler und eine über Ignaz Rojacher, Zimmermeister beim Goldbergbau in und Visionär aus Rauris. Zweimal vorkommt dagegen Herbert von Karajan. Einmal hat Wilfried Haslauer den Goldfüller des Staatsmannes für ihn geleert, einmal hat Friedrich Achleitner seine freche Feder an ihm gewetzt. - Salzburg-Geschichtsschreibung, literarisch-demokratisch, von oben und unten, hüben und drüben. Ein feiner Band nicht nur im „Jubiläumsjahr“.

Jochen Jung und Arno Kleibel (Hrsg.): Menschen aus Salzburg. Jung und Jung Verlag, Salzburg 2016. 298 Seiten, 22 Euro - jungundjung.at
Offiziell präsentiert wird „Menschen aus Salzburg“ heute Dienstag (8.3.) als Beitrag zum Jubiläumsjahr Salzburg 20.16 - www.salzburg2016.at
Zur Leseprobe Noch immer türkisgrün die High Heels an der Wand
Bilder: Cover/dpk-klaba (Details aus dem Sattler-Panorama)

 

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