Im Sternbräu das Jausensackerl verspeisen
BUCHBESPRECHUNG / DAS STERNBRÄU
31/07/15 An diesem Wochenende ist allerhand los in der Griesgasse, denn der verkehrsberuhigte, bloß noch von Obussen durchfahrene Straßenzug ist ja nun zur „Flaniermeile“ geworden. Ein Anlass, auf das Buch „Das Sternbräu“ hinzuweisen. Es ist im Verlag Pustet erschienen.
Von Reinhard Kriechbaum
Die beiden Autoren, Gerhard Ammerer und Harald Waitzbauer, kennen sich aus in der Salzburger Wirtshausgeschichte. Ebenfalls bei Pustet ist ja ihre einschlägige Arbeit „Wirtshäuser. Kulturgeschichte Salzburger Gaststätten“ erschienen. Nun also – aus Anlass der mehrjährigen Renovierung, genauer gesagt: des weitgehenden Neubaus des „Sternbräu“ zwischen Gries- und Getreidegasse – ein Buch über dieses Traditionshaus.
Die Jahreszahlen 1720 und 2014 sind auf einem Band unter dem prächtigen Hauszeichen beim Getreidegassen-Eingang angegeben. Als Wirtshaus hat das Sternbräu (das früher „Goldener Stern“ hieß) freilich eine viel, viel längere Geschichte. Glückliche Fügung, dass man bei den Aushubarbeiten auf Überreste der Stadtmauer von 1465/1480 mitsamt den Fundamenten eines Turms stieß. Diese hat man flugs einbezogen in die neue Architektur. Das entspricht durchaus der Gepflogenheit in dieser Lokalität, an der über die Jahrhunderte beständig herumgebaut wurde, die neuen Gegebenheiten und Bedürfnissen angepasst wurde. So ist immer Altes neben jeweils Neuem bestehen geblieben.
Vielleicht deshalb hat es in den letzten Jahren um den doch gravierenden „Designwechsel“ an dem exponierten Ort kaum nennenswerte Diskussionen gegeben. Jede Zeit baut nach ihren Erwartungshaltungen. Wenn ein Nörgler jetzt dort um sich blickt und befindet, dass das Sternbräu ein wenig so aussieht wie Einkaufszeilen in modernen Bahnhöfen, dann entspricht dies eben den jetzigen Vorstellungen von öffentlichem Raum. Die traditionelle Braumeisterstube oder der „Bürgersaal“, beide bewahrt, waren ja auch einmal „modern“.
A propos bewahrt: Die Verkehrsführung war immer schon ein Thema in der Salzburger Innenstadt. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts hat man ganz ernsthaft darüber nachgedacht, die Straße aus dem Neutor geradeaus in Richtung Griesgasse zu verlängern. Da wäre es um den „Goldenen Hirschen“ ebenso geschehen gewesen wie ums Sternbräu, und die Getreidegasse wäre von einer Verkehrsader durchschnitten worden. Ein Fehler, den man nicht begangen hat.
Auch schon ein Fall für Historiker: Der grüne Neonröhren-Stern auf dem Dach ist die älteste Lichtreklame Salzburgs. Schwer tut man sich, das Alter des Gasthofs zu benennen. 1544 jedenfalls hat es dort einen Brauereibetrieb gegeben, und 1569 ist ein Braugasthof in einem Steuerbuch dokumentiert. Die Ausschankrechte, die Einführung von Biersteuer , die „Bierglocke“ (mit der die Sperrstunde signalisiert wurde) – all das sind Dinge, über die in einem solchen Buch die Rede sein muss, so wie über die besitzer und den Pleitegeier, der so manchen von ihnen verfolgte. Die Wirtschafts-, Gast- und Beherbergungsräume, Tanzboden, Kegelstatt, Kapelle – ein Betrieb wie das nachmalige Sternbräu war über die Jahrhunderte ein Spiegel urbanen Zusammenlebens und auch ein Ort der Begegnung mit dem – willkommenen oder eher misstrauisch beäugten – Fremden.
Unmittelbar nach dem Krieg wurde das Sternbräu zur Kantine der US-Besatzer, ab 1949 haben die Salzburger (und natürlich die Touristen) von den Räumen Besitz ergriffen. Es wird sie gefreut haben, dass ihnen erlaubt war, „hier ihr mitgebrachtes Jausensackerl verspeisen zu können“. Ja ja, die Zeiten waren schlecht. Aber vielleicht war trotzdem nicht das Sackerl selbst, sondern dessen bescheidener Inhalt gemeint.