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An diesem Tag waren die Wolken lieblich

BUCHBESPRECHUNG / GERARD MANLEY HOPKINS / JOURNAL

09/09/11 Abwechslung, Spannung, Extreme - was hat das Wetter allein im heurigen Festspielsommer nicht alles geboten. Wie ein guter Konzertdramaturg eröffnete es Räume und Empfindungswelten: Frieren in der Kollegienkirche. Schmachten im Mozarteum. Und alles dazwischen. Und wie reden wir übers Wetter? In Platituden. „Heiß ist es heute.“ Das müsste so nicht sein. Das Haus Jung und Jung böte Abhilfe.

Von Heidemarie Klabacher

Leuchtend. Der Sonnenuntergang über den Eichen ein Flickfleck von rosigen Wolken mit Purpurspitzen, der Himmel umher ein verwirrtes blasses Grün und Blau.

Wem fällt so was ein? Der Mann heißt Gerard Manley Hopkins. Die Sprachkraft seiner Lyrik hat ganze Generationen englischer Dichter beeinflusst - aber eben auch dem Reden übers Wetter eine ganz eigene Dimension verliehen.

Reihen von Wolken lagen überquer am Himmel zu Sonnenuntergang, ihre erleuchteten Bereiche Gelb, darunter das seltsame opake Blau das man zuweilen mit jener Farbe sieht.

Gerard Manley Hopkins ist es nicht vordergründig ums Wetter gegangen. Seinen akribischen Naturbeobachtungen und Naturschilderungen eignet ein quasi erkenntnistheoretisch grundierter Wille zum immer noch genauer Hinschauen.

Der Himmel elsterbunt von Wolken, nahe der Erdlinie ei-blau, die längsten anmutigen geschwungenen Bänder, die zwei Säulen gesonderter gestapelter Wolken hintereinander weit weg.

Gerard Manley Hopkins wurde 1844 in Stratford geboren und starb 1889 in Dublin. Er studierte u.a. alte Sprachen in Oxford, konvertierte zum Katholizismus, trat 1868 in den Jesuitenorden ein, wurde Priester und lehrte schließlich in Oxford klassische Philologie.

„Blaue Ferne schattierend zu nichts“ - so könnte auch ein bislang unentdecktes Viola-Solostück von Claude Debussy heißen.

Gerald Manley Hopkins ist einer der wichtigen Lyriker Englands, obwohl er zu Lebzeiten kein einziges Gedicht veröffentlichen ließ. Richtungweisend war sein Zugang zum Rhythmus der Englischen Sprache. Traditionelle Versformen und regelmäßiges Versmaß waren ihm zu eng. Er entwickelte (im Rückgriff auf ganz alte englische Literatur, etwa den Beowulf) einen eigenen neuen Sprachrhythmus, der expressiver wirken und schließlich ein Vorläufer für den freien Vers werden sollte.

Mit den Wolkenschilderungen hat das alles nichts zu tun. Die „Journale“ von Gerard Manley Hopkins sind Tage-, Merk- und Skizzenbücher. Der Dichter und Priester hat nicht nur das Spiel des Sonnenlichts auf Wolken oder auf Wellenkämmen im Meer beschrieben, sondern etwa auch die „kreuzschraffierten Fließlinien in den Gletschern unter dem Gornergrat“ irgendwo bei Zermatt.

Schwüles blasses Sonnenlicht, dunstige Ferne. Der Himmel war vor allem überzogen, zu einer Zeit mit schopfigen silbernen Daunenwolken getränkt von Licht schmerzend die Augenlider.

Seltsamerweise erinnert nichts davon an Adalbert Stifter. Den akribischen Baum- oder Blumenschilderungen von Gerard Manley Hopkins eignet nichts Mühsames, was man - bei allergrößter Verehrung - von Stifter nicht immer behaupten kann. Was vielleicht daran liegt, dass der große Oberösterreicher ja doch auch belehren und bilden und eine Utopie von der Entwicklung des Menschen entwerfen wolle. Gerard Manley Hopkins stellt sich selbst - mit größter Zurückhaltung - als ein Individuum in den Mittelpunkt, das seine Augen seiner Welt weiht. Sozusagen. 

Der Schnee auf den Hügeln, es muß zugegeben werden, sieht aus wie trocknende Organdy Fetzen.

Das ist eines der Bücher, die herauszubringen nur Jochen Jung einfallen kann - und die man nicht mehr missen möchte, sobald man sie zum ersten Mal in die Hand genommen hat. Eine durchgehende Lebensgeschichte in Tagebuchform wird nicht erzählt. Immer wieder stößt man aber auch auf Passagen, die romantaugliche Tragödien im Hintergrund ahnen lassen:

Einen Tag um diese Zeit, ich glaube während der Exerzitien, starb durch Erhängen, in Chorley in the Woods in dieser Grafschaft, William Stanton einer der klügsten Knaben die sie im Kolleg hatten. Er hatte einen Roman von Trollope gelesen in dem ein Erhängen beschrieben wird und es wurde vermutet daß er es nachzuahmen versuchte…

Versetzt sind seine Journale mit Zeichnungen und Skizzen, die die Herausgabe zur Herausforderung machen. Herausgebracht hat der Verlag Jung und Jung die Schriften Gerard Manley Hopkins in der Übersetzung des Dichters (und „Jung und Jung“-Autors) Peter Waterhouse, zusammengefasst sind das Journal 1866-1875 und Frühe Tagebücher 1863-1866.

Das Wetter ist leuchtend gewesen, doch gestern war es funkelnd.

Gerard Manley Hopkins: Journale. In einer Übersetzung von Peter Waterhouse Jung und Jung, Salzburg. 280 Seiten, 28 Euro.

 

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