Die Raupe Nimmersatt
BUCHBESPRECHUNG / TARA C. MEISTER / PROBEN
14/06/24 „Ich bekomme ein bisschen ein Kind“, denkt sich Caro, als ihre Freundin Johanna schwanger wird. Einen Vater gibt es nicht. Die beiden möchten das Kind gemeinsam großziehen. Tara C. Meisters Debütroman erzählt die Geschichte eines Lebensmodells, das weniger an der Realität zu scheitern droht als an den Persönlichkeiten der Protagonistinnen.
Von Christina König
Caro ist Biochemikerin, zielstrebig, organisiert. Ihre ländliche Kärntner Familie hat sie hinter sich gelassen und sich ein erfolgreiches Leben in Wien aufgebaut. Im Labor forscht sie an Telomeren, verwendet dabei die TRAP-Methode. Dass „trap“ das englische Wort für Falle ist, ist bestimmt kein Zufall: Das Leben, das von außen so gelungen aussieht, sperrt Caro ein, macht sie einsam. Ihr fehlt etwas.
Dann lernt sie Johanna kennen. Johanna war schon alles, von Pizzalieferantin über Pole-Tänzerin bis zu Hundesitterin. Johanna arbeitet jetzt als Regisseurin in einem kleinen Theaterkollektiv, ist extravertiert, spontan, launenhaft. Sie ist alles, was Caro nicht ist – und Caro klebt sich an sie wie ein Seestern, lässt sich nicht mehr abschütteln. „Sie fragte Caro halbherzig, ob sie mitkommen wolle, und Caro kam mit.“
Dann wird Johanna schwanger. Caro sieht ihre fragile Zweisamkeit gefährdet. Als sie Johanna nicht zur Abtreibung überreden kann, bietet sie kurzerhand an, das Kind gemeinsam großzuziehen. Johanna, die eine komplizierte Einstellung zur Mutterschaft hat, willigt ein.
Tara C. Meister entwirft das Bild einer problematischen Freundschaft, die weniger auf Zuneigung beruht als auf Bedürftigkeit. Das wird bereits in der ersten Szene klar: Johanna bekommt eine Absage einer Berliner Universität, wo sie sich für ein Regiestudium beworben hat – und während Caro Johannas Abwasch erledigt, freut sie sich heimlich, dass ihre Freundin nicht umzieht, dass sie ihr erhalten bleibt.
Meister macht von Anfang an deutlich, dass diese Freundschaft ambivalent ist – und im Verlauf des Romans verstärken sich diese Ambivalenzen noch. Caro wühlt sich in Johannas Leben wie die Raupe Nimmersatt, von der sie auch träumt, zieht zu ihr, räumt die Küche um, sagt Johanna, wie sie essen soll. Den Höhepunkt erreicht ihre Übergriffigkeit, als sie sich auf die Suche nach dem Vater des Kindes macht, über den Johanna schweigt.
Tara C. Meister: Proben. Roman. Residenz Verlag, Salzburg Wien 2024. 256 Seiten, 24 Euro – www.residenzverlag.com