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Seiltanz zwischen Fiktion und Realität

BUCHBESPRECHUNG / HENISCH / SIEBENEINHALB LEBEN

21/11/18 Was tun, wenn plötzlich die Hauptfigur aus dem eigenen Roman neben einem sitzt? So geschehen in „Siebeneinhalb Leben“, dem neuen Roman von Peter Henisch, der hier das Spiel zwischen Fiktion und Realität auf die Spitze treibt.

VON VERENA RESCH

Eigentlich will der Schriftsteller Paul Spielmann nur auf einer ruhigen Parkbank die Herbstsonne genießen. Da setzt sich plötzlich ein eigentümlicher Kerl zu ihm. Die Vermutung, es handle sich um einen treuen Leser, der sich eine Widmung abholen möchte, stellt sich sogleich als falsch heraus: „Dieses Buch, das Sie da über mich geschrieben haben ... Sie können sich wahrscheinlich denken, dass ich damit nicht voll und ganz einverstanden war.“ Behauptet der doch glatt, der Protagonist von Spielmanns Roman „Steins Paranoia“ zu sein! Und gerade an diesen Roman über den Fall Waldheim wird Spielmann nicht gerne erinnert... Einwände, die Parallelen zwischen ihm und dem fiktiven Stein seien rein zufälliger Natur, will er nicht gelten lassen, denn: „Sagen Sie bloß, Sie haben auch Waldheim frei erfunden!“

Stein entpuppt sich als extrem hartnäckiger Zeitgenosse, der nicht nur unzufrieden mit der Darstellung seiner selbst in dem 30 Jahre alten Roman ist, sondern auch auf einer Richtigstellung beharrt; in Form einer gemeinsam überarbeiteten Neuauflage. Dazu bombardiert er Spielmann nicht nur mit Briefen und E-Mails, sondern heckt noch einen viel gewiefteren Plan aus, um Spielmann dazu zu bringen, dieses Schreibprojekt tatsächlich anzugehen, weshalb schließlich sogar die Katze daran glauben muss...

„Siebeneinhalb Leben“ entpuppt sich als unglaublich vielschichtiger Roman, der mit seiner äußert fein gearbeiteten Sprache, Ironie und Humor für ein äußerst kurzweiliges Lektüreerlebnis sorgt. Doch in ihm steckt noch viel mehr. Stein verkörpert nicht nur den schlagfertigen, gewitzten Verfolger, sondern auch das politische Gewissen Spielmanns. Er warnt Spielmann vor der Wiederkehr rechtsradikalen Gedankenguts, weist ihn eindrücklich auf versteckte Nazicodes hin und auch an Anspielungen auf österreichische Bundespräsidentenstichwahlwiederholungsverschiebungen fehlt es nicht. Geht er Spielmann damit zunächst gehörig auf die Nerven, muss dieser jedoch schon bald erkennen, dass er so unrecht nicht hat und wird gezwungen, sich mit der aktuellen politischen Situation auseinanderzusetzen, anstatt weiter an seiner Autobiographie zu arbeiten und so gedanklich in der Vergangenheit festzustecken.

Apropos Autobiographie: Deren Protagonist heißt übrigens Peter. Und das ist nur ein Aspekt von Henischs Verwirrspiel. Aufmerksame Leser wissen: Den Roman „Steins Paranoia“ gibt es wirklich, geschrieben von Peter Henisch und auch Paul Spielmann ist kein Unbekannter, kennen wir ihn doch schon aus „Eine sehr kleine Frau“. Ein wahrhaft listiges Spiel, das Peter Henisch hier spielt...

Peter Henisch: Siebeneinhalb Leben. Roman. Deuticke, Wien 2018. 128 Seiten, 18,50 Euro. Auch als e-book erhältlich - www.hanser-literaturverlage.de
Am Freitag (23.11.) um 19.30 Uhr stellt Peter Henisch im Literaturhaus Salzburg nicht nur seinen Roman vor, sondern wird auch mit seiner Band performen.www.literaturhaus-salzburg.at 
Bild: Deuticke Verlag / Willi Svoboda

 

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