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Es spricht das Luberl...

BUCHBESPRECHUNG / ROSEMARIE POIARKOV / AUSSICHTEN SIND ÜBERSCHÄTZT

17/08/17 Ein 100 Jahre alter Wachszylinder, mit dem damals Ton aufgenommen wurde, die als Symbol für Vieles steht: für die Vergangenheit, für zwischenmenschliche Kommunikation, deren Gelingen so wichtig ist, sowie für die Träume, die jeder Einzelne in sich trägt.

Von Verena Resch

Bei einer Dienstreise nach Mexiko entdeckt die Wienerin Luise auf einem Flohmarkt eine Tonwalze mit der Aufschrift „Es spricht das Luberl. Praterstraße 64 Wien, 3. April 1903“. Wieder nach Hause begibt sie sich gemeinsam mit ihrem Freund Emil, einem Tonarchivar, auf die Spur dessen, was die Frau vor über hundert Jahren auf die Walze gesprochen hat. „aschen“, „Prater“ und „schee“ sind Wörter, oder eigentlich nur Wortfetzen, die Luise beim ersten Anhören versteht. Ihre Freundin Julia, der sie die Walze ebenfalls vorspielt, versteht diese zum Teil wieder ganz anders.

Es geht überhaupt viel um Kommunikation zwischen Menschen in Rosemarie Poiarkovs Romanerstling „Aussichten sind überschätzt“. Vor allem natürlich, wenn es darum geht, die Worte auf dem Wachszylinder zu entschlüsseln. Aber in Luises Beruf als Deutsch als Fremdsprache-Lehrerin spielen Kommunikation und Verstehen erwartungsgemäß eine zentrale Rolle. Luises bester Freund Milan verliebt sich bei einer Hochzeit in Serbien auf den ersten Blick in Zorica. Sofortige Sympathie und Zuneigung zueinander lassen die Sprachbarriere – er spricht nicht Serbisch, sie kaum Englisch und kein Deutsch – an diesem Tag jedoch belanglos erscheinen. Julia und ihre Mutter konnten nie wirklich mit einander reden, als die Mutter jedoch, gezeichnet von ihrer Alkoholkrankheit, nicht mehr bei Sinnen ist, kommen sie sich näher und können sich unterhalten – ohne Worte.

Es ist das durchschnittliche Leben von mehreren Wienern in ihren späten 30ern oder frühen 40ern, das Poiarkov schildert, mitsamt deren alltäglichen Problemen – alltäglich, weil sie jeden betreffen können. Alkoholprobleme, das Problem der Versorgung und Pflege von alten kranken Angehörigen oder der Verlust nahestehender Menschen. Wenn Julias Sohn Felix nach dem Tod seiner Großmutter feststellt, „Jetzt ist wieder eine Lücke in meinem Leben, die ich schließen muss“, ist es einer dieser Sätze, die zutiefst berühren.

Die Protagonisten versuchen, in der krisenhaften Gegenwart ihren Platz zu finden und einen Weg, um ihre Träume nicht opfern zu müssen, sowie die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nicht aufzugeben. Flüchtlingskrise und Multikulti sind Thema, wenn in Luises Klassenraum Menschen aus Ägypten, Serbien, Türkei, Iran und Thailand aufeinandertreffen. Hier zeigt sich, dass auch zwischen den unterschiedlichsten Nationalitäten Freundschaft und Zusammenhalt möglich sind: „Manchmal standen mir Tränen in den Augen, weil ich mich fragte, warum im Klassenraum möglich war, was draußen in der Welt undenkbar zu sein schien.“

Auch die schwierige Situation auf dem Arbeitsmarkt wird thematisiert, wenn sich Luise zwischen Sicherheit und Freiheit entscheiden muss. Hier wird auch der Sarkasmus des Titels „Aussichten sind überschätzt“ besonders deutlich spürbar.

Es sind nicht die großen Katastrophen und Dramen, von denen Rosemarie Poiarkov erzählt, sondern vom einfachen Leben. Die Geschichten wirken nicht konstruiert oder aufgesetzt und erscheinen dadurch umso lebensnaher. Und auch ohne großen Knall am Ende würde man gerne erfahren, wie es mit Luise, Emil, Julia und Milan weitergeht.

Rosemarie Poiarkov: Aussichten sind überschätzt. Roman. Residenz Verlag, Salzburg/St. Pölten 2017. 272 Seiten, 22 Euro - www.residenzverlag.at

 

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