Ein Prunkaltar und „Schneestangen“
HINTERGRUND / RAURIS / SILBERALTAR
25/05/16 Von Fronleichnam (26. Mai) bis zu Maria Himmelfahrt (15. August) wird in der Pfarrkirche von Rauris wieder ein besonderes Schmuckstück zu bewundern sein: der Silberaltar. Das sechs Meter lange und 1,7 Meter hohe Prunkstück wurde nach seiner Restaurierung im Vorjahr das erste Mal in neuerer zeit wieder aufgestellt.
Von Reinhard Kriechbaum
Kulturgeschichtlich ist die Sache mindestens so interessant wie kunstgeschichtlich: In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stand es absolut nicht gut um Rauris: „Der Bergbau stagnierte, schlechte Erntejahre, Unwetter, Krankheiten, Mangelernährung und kaiserlicher Militärdienst der jungen arbeitsfähigen Rauriser ließen den einst blühenden Bergbauort nieder gehen“, schreibt Christian Haller vom Referat für die Erhaltung des kulturellen Erbes in der Zeitschrift „Salzburger Volkskultur (November 2015). Vielleicht war der Entschluss, einen besonders prachtvollen Altaraufsatz zu spenden, ein Versuch, Segen von oben zu erbitten und so das Los des Ortes zu wenden (was dann freilich erst mit Hilfe des Tourismus gelungen ist).
Der Altar stammt aus dem Jahr 1885. Sechzehn Rauriser Bürger hatten Geld gespendet. Damals wurde in Rauris neben Gold, Kupfer und Kobalt auch Silber abgebaut, so lag es nahe, den Altar in Silber zu halten. Nach heutigen Schätzungen dürften Arbeit und Material rund 15.000 Euro gekostet haben, so Christian Haller. Der Salzburger Gürtler C. Haring hat die acht Tafeln geschaffen, die dem Hauptaltar in der Zeit der kirchlichen Prangtage, zwischen fronleichnam und Maria Himmelfahrt, vorgeblendet werden.
1962 verschwand der Altar nach dem Tod seines "Pflegers" Mesner Jakob Rathgeb in einem Abstellraum im Mesnerhaus. Erst vor gut acht Jahren wurden Teile davon für die Ausstellung "Der Rauriser Kirchenschatz" wieder in die Öffentlichkeit geholt. Danach bemühte sich Pfarrgemeinderatsobmann Karl Granegger um die Restaurierung des gesamten Altars bzw. die Finanzierung.
„In der Salzburger Gürtlerwerkstatt Hauthaler wurde der komplette Altar samt Krone in rund 400 Arbeitsstunden zerlegt, gereinigt, neu versilbert und wieder zusammengebaut. Fehlende Gablonzersteine wurden ersetzt und fein ziselierte Goldbroschen wieder neu vergoldet“, schildert Granegger die Restaurierungsarbeiten, die Ende 2014 begannen und im Frühjahr 2015 abgeschlossen waren. Die Restaurierung kostete 35.000 Euro, das Land steuerte 5.000 Euro aus dem Budget des Referats zur Erhaltung des kulturellen Erbes bei. Über dem Tabernakel steht eine ebenso silberglänzende Krone. Diese wird alle zwei Jahre beim Perchtenumzug von den Bergknappen mitgetragen, so Karl Granegger.
Bei den Prozessionen an den sogenannten „Prangtagen“ (und sonst in der Kirche) in Rauris gibt es eine andere Besonderheit zu bestaunen, zwei hölzerne Umzugsstangen. Im Lungau und in Bischofshofen werden die Prangstangen mit Blumen dicht umflochten, jene an einigen Pongauer Orten (Mühlbach, Hüttau, Werfenweng, Pfarrwerfen) sind mit Wollfäden geschmückt. Die beiden Prozessionsstangen in Rauris hingegen sind in ihrer ganzen Länge mit Blattranken bemalt und jeweils mit einem Bergwerkswappen geziert.
Warum sagen die Einheimischen „Schneestangen“ dazu? Eine Sage von den ehemaligen Rauriser Bergknappen steckt dahinter. Im Ritterkaar sei die Behausung der Bergleute eingeschneit oder von einer Lawine überschüttet worden, in der Hütte waren die Lebensmittel zu Ende. Angesichts des drohenden Hungertodes würfelte man, wer von den Unglücklichen getötet werden und den anderen als Nahrung dienen sollte. Es traf den jungen Bergschmied. Der grub sich in größter Verzweiflung durch die Schneemassen. Mit Erfolg, es gab keinen Kanibalismus in Rauris!
Der Sage nach entspricht die Länge der beiden Rauriser Schneestangen der exorbitanten Schneehöhe damals. In Wirklichkeit sind es natürlich Prangstangen.