Über den Tellerrand zu schauen, macht hungrig
HALLEIN / KUNSTRAUM PRO ARTE / REPOLUST
22/06/11 Erdbeerjoghurt, Spaghetti Bolognese, Lachsmousse oder Kebap: Was sieht man, wenn man anderen Menschen über den Tellerrand schaut? Das fragte sich Christina Repolust und lud sich bei achtzehn Halleinern zum Essen ein. Herausgekommen ist eine Ausstellung, die Auge und Herz erfreut.
Von Nina Ainz
Das Erste, was man sieht, wenn man in diesen Tagen den kunstraum pro arte am Schöndorferplatz in Hallein betritt, ist eine leuchtend pinke Wand, auf der allerhand unterschiedliche Teller hängen. Tiefe Teller, flache Teller, kleine Schüsselchen, Teller mit Kratzern, makellose Teller, Teller mit farbigen Rändern. Dann fällt der Blick auf die Fotografien an den Wänden ringsum. Rechts wieder dieses leuchtende Pink, diesmal in Form eines Erdbeerjoghurts. Dort ein Teller, auf dem ein paar Mannerwafferl angerichtet sind. Gegenüber griechischer Salat. Und dazwischen immer wieder Menschen, die vergnügt über einen Tellerrand schauen.
Die Fotografin Christina Repolust hat für die Ausstellung „Über den Tellerrand“ vierzehn Familien und Haushalte, einen Kebapstand, ein indisches Lokal und das Kolpinghaus in Hallein besucht und darum gebeten, über deren Tellerränder schauen zu dürfen. Vermittelt wurden ihr diese Familien von der Kuratorin der Ausstellung, Martina Berger-Klinger, selbst Halleinerin, die von der Idee sofort angetan war. Herausgekommen ist eine Ausstellung, die ihren Besuchern Einblicke gibt in die Essgewohnheiten von verschiedensten Menschen und dazu motiviert, den eigenen (Teller-) Rand zu überwinden.
Die Bedingungen für die Kandidaten waren einfach: „Das erste Mal ging ich hin essen, dann war die zweite Bitte, dass sie mir den Teller für die Ausstellung zur Verfügung stellen und auf einen Zettel ihrer Wahl schreiben ‚Über den Tellerrand schauen, heißt für mich...’,“ erzählt Christina Repolust vom Zustandekommen der Fotos. Sie hat ihre Gastgeber immer gebeten, nur das aufzutischen, was sie auch normalerweise essen würden, „nichts Ausgefallenes“. Niemand der Gefragten habe das Angebot abgelehnt.
Und so kam sie in den Genuss eines dreigängigen Menüs bei einer türkischen Familie, deren zuckerglänzendes Baklava es aufs Foto schaffte. Der Bürgermeister von Hallein bewirtete Repolust mit Mannerwafferln, Familie Grundtner servierte Spaghetti Bolognese. Bei Svenja und Merlin Wünsche gab es einen auffällig schön dekorierten Tisch sowie Lachs- und Forellenmousse und Peter Gabriel, evangelischer Pastor in Hallein, servierte Brot und Käse, denn das gebe es bei ihnen immer. Auffallend ist der leere Teller neben den Besitzern des Kebapstands Erol: „Ich fand einfach, Kebap gehöre nicht auf einem Teller serviert. Deshalb sieht man nur den Kebapspieß im Hintergrund und den leeren Teller davor“, erklärt die Fotografin.
Christina Repolust ist promovierte Germanistin, Literaturvermittlerin und Bibliothekarin und fotografiert seit 2008 über den Tellerrand. Der Beginn des Tellerrandprojekts wurde in der Straßenzeitung Apropos veröffentlicht. Die Fotos für die Ausstellung in Hallein sind von März bis Mai dieses Jahres entstanden. Wie kam sie auf die Idee, bei ihren Mitmenschen über den Tellerrand zu schauen? „Ich nehme Aussprüche der Menschen gern wörtlich. Sagt uns nicht die Politik täglich, wir müssten doch endlich über den Tellerrand schauen? Das habe ich dann getan. Es ist eine Herausforderung, denn erstens lädt man sich nicht in privaten Haushalten zum Essen ein und zweitens macht man dann keine Fotos vom Essen.“
Es ist nicht ratsam, den kunstraum pro arte in diesen Tagen mit leerem Magen zu besuchen, denn über den Tellerrand zu schauen, macht hungrig. Hungrig auf Erdbeerjoghurt und griechischen Salat, hungrig auf Begegnungen mit anderen Tellern. Und man verlässt die Ausstellung mit dem Gedanken, wie gern man doch wieder einmal bei seinen Freunden zum Essen eingeladen werden würde. Vielleicht sollte man auch einmal wagen, sich selbst einzuladen?