Bei uns kommen alle durch die gleiche Tür
INTERVIEW / ELISABETH SCHNEIDER
24/05/11 „Am Anfang ging es darum, ‚städtisches’ Kulturleben aufs Land zu bringen. Heute ist es kein Thema mehr, wo etwas stattfindet. Wenn es dich interessiert, weißt du, genau, was im ganzen mitteleuropäischen Raum los ist. Das war vor dreißig Jahren anders.“ Elisabeth Schneider, die Geschäftsführerin des Kulturkreises Das Zentrum Radstadt, im Gespräch mit DrehPunktKultur. Seit dreißig Jahren gibt es diese verdienstvolle Institution.
Von Heidemarie Klabacher
„Kunst und Kultur sind heute längst keine Minderheiten-Themen mehr, sondern gesellschaftlich breit diskutiert und anerkannt. Was aber nicht heißt, dass man nicht doch für die Interessen einer Minderheit arbeitet“, sagt Elisabeth Schneider. Seit dreißig Jahren gibt es den Kulturkreis das Zentrum, 25 Jahre die Paul Hofhaimer Tage und zehn Jahre den Cinema:Club. „Vor dreißig Jahren war es noch so, dass man mehr aus Solidarität mit den Organisatoren zu einer Veranstaltung gegangen ist.“ Sie könne sich nicht vorstellen, „dass heute noch jemand wegen des Veranstalters kommt“, so Elisabeth Schneier, höchstens bei einem Benefiz-Konzert. „Das war sicher vor dreißig Jahren anders.“
Der „Kulturkreis Das Zentrum“ wurde 1981 auf Initiative von Toni Winter und Peter Peyrer-Heimstätt gegründet, seit 1991 ist Elisabeth Schneider Obfrau. Sie sehe sich - zusammen mit dem Team Michael Habersatter, Marianne Ellmer und Sepp Schneider - in der Funktion des „kulturellen Nahversorgers“: „Diese Rolle hat man, füllt man aus.“ Mit Erfolg. Denn dass sich eine Institution wie der Kulturkreis Das Zentrum trotz des explodierenden Angebots und der „näher“ rückenden Stadt hält, ist nur auf den ersten Blick erstaunlich. „Wenn man ständig bemüht ist - soweit es das Geld zulässt - beste Qualität zu bieten, dann kann man das Publikum gewinnen und halten“, weiß Elisabeth Schneider.
„Martin Grubinger war noch vor dem Beginn seiner unglaublichen Karriere bei den Paul Hofhaimer Tagen zu Gast. Damals waren alle fassungslos, was der geboten hat. Und ein paar Jahre später war Grubinger auf der internationalen Bühne. Wenn das Publikum ein paar Mal solche Erfahrungen machen kann, wird man als Veranstalter ernst genommen. Die Leute wissen, dass sie im Rahmen unserer Möglichkeiten beste Qualität bekommen.“
Wie mit dem Minetti Quartett bei den Paul Hofhaimer Tagen heuer: „Das ist auch ein solcher wunderbarer Glücksfall.“ Und das Publikum merkt die Qualität schon. „Viele junge Künstler haben wir da gehabt, und wenige Jahre später sehen die damaligen Konzertbesucher: 'Die haben ihren Weg gemacht'. - Also gehen sie davon aus, dass das wieder so sein wird“, blickt Elisabeth Schneider „ihrem“ Publikum ins Herz. „Aber das sind Glücksfälle. Vieles im Klassikbereich bewegt sich in finanziellen Kategorien außerhalb unserer Möglichkeiten.“
Gleiches Konzept, finanziell leichter zu realisieren: „Unser Cinema:Club: Die Menschen wissen, dass wir so aktuelle Filme bringen, wie es für uns halt möglich ist. Sie wissen, dass bei unserem Filmfestival fast nur Salzburg- Premieren auf dem Programm stehen, oder ‚Außenseiter’-Filme, die nur hier gezeigt werden.“
Es gibt das Publikum, das dieses Bemühen schätzt - und erkennt: „Das ist ein Angebot, dass es sonst nirgends gibt.“ Im Bereich Kino komme den Radstädter Veranstaltern tatsächlich die Entfernung zur Stadt zu Gute: „Zwei Stunden Auto fahren für einen Film, das ist ein großer Aufwand. Da kommen die Leute mit nur einer Viertelstunde Anfahrtszeit lieber zu uns.“
Besonders gerne kommen Chor-Begeisterte nach Radstadt, nicht nur zum passiven Zuhören, sondern vor allem zum aktiven Singen: „Seit vierzehn Jahren gibt es unser Chorprojekt, bei dem ein großes Werk der Literatur für ein Konzert bei den Paul Hofhaimer Tagen erarbeitet wird“, erzählt Elisabeth Schneider. „Heute haben wir einen Chorstock aus guten Sängerinnen und Sängern von Liezen bis Gastein. Auch viele Salzburger fahren herein, weil sie eine Möglichkeit haben, ein anspruchsvolles Werk zu erarbeiten.“ Etwa das Verdi-Requiem, das heuer auf den Pulten von Hofhaimer Chor und Orchester liegt.
Nicht nur die Ausführenden sind begeistert, auch die Zuhörenden: „Bei der ‚Schöpfung’ ist man sich des Publikums sicher“, so Elisabeth Schneider. „Im Vorjahr beim ‚Stabat Mater’ haben wir ein wenig gezittert.“ Das Brahms-Requiem hätten zunächst wohl die Sänger gekannt, „nicht so sehr unser Publikum. Aber dann sieht auch das Publikum, dass wir besondere Werke auswählen.“ Einfacher wäre es, die Krönungsmesse zu programmieren und eine Sinfonie dazu: „Dann brauchte ich mir keine Sorgen machen über den Kartenverkauf. Trotzdem hat es so einen viel höheren Wert, wenn man Werke, wie Rossinis Stabat Mater, Monteverdis Marienvesper oder Brahms’ Requiem einem breiteren Publikum präsentiert.“ Sie wisse, betont Elisabeth Schneider, „da kommen sicher Menschen, die alle nicht zu den Festspielen fahren oder ins Mozarteum.“ Sie wisse aber auch, dass sich über die Jahre ein Publikum entwickelt hat, „das inzwischen oft auch ins Konzert nach Salzburg fährt“. „Das ist auch teils Ergebnis unserer Arbeit.“
Augenblicke, die sie besonders beglücken: „Wenn ich bei einer Veranstaltung das Gefühl habe - das ist jetzt von der Auswahl der Musiker, der Qualität des Films her so gut - es könnte überall auf der ganzen Welt sein. ABER es ist in Radstadt. Ich könnte in Berlin sitzen, sitze aber in Radstadt..."
Und zwar sehr nahe dran am Geschehen: „Auch das wird bei uns so geschätzt, dass keine Distanz ist zwischen Ausführenden und Publikum.“ Das Zeughaus am Turm etwa habe mit maximal 120 Plätzen grad die richtige Größe: „Wenn es ganz voll ist, ist es ok. Wenn nicht so viele da sind, fühlt man sich auch nicht verloren. Das Runde das hat etwas Einnehmendes, Bergendes."
Auch können die Menschen sehr unmittelbar mit den Künstlern in Kontakt treten. „Es ergeben sich oft schöne Situationen, die man an größeren Häusern nicht so leicht erlebt, denn bei uns kommen alle - ob Künstler oder Publikum - durch die gleiche Tür.“