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FILMFESTIVAL RADSTADT

04/11/16 „Identität hängt unmittelbar mit dem Verständnis von Heimat zusammen“, sagt Elisabeth Schneider. Damit sind beide Begriffe beisammen, die wesentlich sind fürs Filmfestival Radstadt: „Heimat“ im weitesten Sinn ist seit je her, also seit fünfzehn Jahren, inhaltlicher Schwerpunkt. Und die Frage nach „Identität“ wird heuer ganz spezifisch gestellt.

Dass das Thema „Heimat“ seit fünfzehn Jahren das Filmfestival Radstadt trägt, zeige „wie facettenreich und unerschöpflich dieses Thema ist und wie sehr es Menschen bewegt“, sagt die Leiterin des Kulturzentrum „Das Zentrum“. „Verbundenheit mit Grund und Boden, Generationenkonflikt, Tradition, Flucht und Migration beeinflussen und prägen unsere Identität“, so Elisabeth Schneider. Neun Salzburg-Premieren und drei Österreich-Premieren sind an den erstmals fünf Festivaltagen von 9. bis 13. November im Zeughaus am Turm angesagt: „Vielfach ausgezeichnete Filme die sonst nur in großen Städten gezeigt werden.“

Unerwartete Aktualität bekommt die Präsentation des ORF-Landkrimis „Drachenjungfrau“, Verfilmung einer Geschichte von Manfred Baumann. Kommissar Martin Merana (eine Figur, die schon in drei vorhergegangenen Krimis von Manfred Baumann auftaucht ist) bekommt in dieser an den Krimmler Wasserfällen spielenden (und natürlich auch dort gedrehten) Unterstützung durch eine Polizeiinspektorin, gespielt von Stefanie Reinsperger: Sie ist erst jetzt in die Schlagzeilen gekommen, als neue Buhlschaft im Festspiel-„Jedermann“. Den Mord in Krimml lösen sie und Kommissar Merana (Manuel Ruby).

Heimatverlust in eine uns beinah exotisch anmutende Richtung dokumentiert die türkische Filmemacherin Eren Önsöz in „Haymatloz“. Dieser Begriff ist als Lehnwort in die türkische Sprache eingegangen. Direkt nach der Machtergreifung durch die Nazis verloren rund ein Drittel der Professoren ihre Stellungen an deutschen Universitäten. Zahlreiche Intellektuelle, Juden und Antifaschisten, flüchteten in das unbekannte Exilland Türkei. Staatsgründer Atatürk hatte die Deutschen eingeladen, an seiner ambitionierten Universitätsreform mitzuwirken. Eren Önsöz begleitet die letzten Nachkommen dieser Professoren an Schauplätze in der Schweiz, Deutschland und in der Türkei; sie sind in der Türkei geboren worden und aufgewachsen. An der Europäisierung der Türkei waren renommierte deutsche Intellektuelle wesentlich beteiligt. Leider vergangene Zeiten in der Ära Erdogan.

„Holz Erde Fleisch“ von Sigmund Steiner ist bei der vergangenen „Diagonale“ zum besten Dokumentarfilm gekürt worden. Drei Bauern sinnieren bei ihrer Arbeit im Wald, auf dem Feld und auf der Alm darüber, ob wohl ihre Kinder eines Tages den Besitz übernehmen werden. Oder stirbt der Bauernberuf am jeweiligen Hof aus? Der Regisseur Sigmund Steiner ist selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen. Er weiß, was Sache ist.

„Flößen am Ägerisee“ ist eine Österreich-Premiere beim Radstädter Filmfestival. Heutzutage gibt es in Mitteleuropa nur noch einen Ort in der Schweiz, wo professionell Holz geflößt wird. Aufgrund der geographischen Lage ist diese Art des Holztransports dort noch nicht ausgestorben. Filmemacher Thomas Horat war schon 2010 mit „Die Wätterschmöker“ und 2013 mit „Alpsummer“ in Radstadt zu Gast.

Auftaktfilm in Radstadt ist die Österreich-Premiere von „Kühe Käse und 3 Kinder“ von Susanna Fanzun, ebenfalls ein Schweizer Dokumentarfilm. Auf einer Alm in Graubünden, wo man Rätoromanisch spricht, dreht sich alles um die drei Kinder Braida (8), Marchet (6) und Jon (3). „Sie müssen viel Verantwortung für ihr Handeln übernehmen und beeindrucken mit ihrem Wissen über den Umgang mit Tier und Natur“, sagt die Regisseurin. „Das Leben, Spielen und Arbeiten mit den Tieren auf der Alp steht im eindrücklichen Gegensatz zur komplexen Lebensrealität vieler Menschen.“ Ein Spielfilm ist die dritte Österreich-Premiere in Radstadt, „Eine unerhörte Frau“ von Hans Steinbichler.

„Das Leben in der 'Provinz', 'auf dem Land' mit seinen Herausforderungen und seiner Faszination ist ein wiederkehrendes Thema“ erklärt Elisabeth Schneider. Um einen Kärntner Bergdoktor geht es in „Bei Tag und bei Nacht“. „Bauer unser“ beleuchtet die Situation von österreichischen Großbauern und Kleinbauern – vom Biobauern bis zum Agraringenieur, die in der Milchwirtschaft, der Schweinemast oder der Geflügelzucht tätig sind. „Seit die Welt Welt ist“ ist ein berührendes Portrait über eine Bauernfamilie in einer strukturschwachen Region in Katalonien. Ringsum leeren sich die Häuser, die Menschen suchen Arbeit in der Stadt. Doch die Bauernfamilie bleibt.

Zum Bleiben entschlossen sind auch die Menschen im „Café Waldluft“ - zwar nicht unmittelbar dort, aber jedenfalls in Deutschland. Das „Café Waldluft“ ist nämlich so etwas wie das Kobenzl am Gaisberg: ein ausgemustertes Hotel in Berchtesgaden. Wo früher überfüllte Busse Touristen aus aller Welt absetzten, leben heute Flüchtlinge.

15. Filmfestival Radstadt 9. – 13.November 2016 – www.daszentrum.at – Das Programmheft zum Download
Bilder: Das Zentrum / Stadtkino Wien

 

 

 

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