Rücktritt bei Antritt?
IM KINO / HABEMUS PAPAM
15/12/11 „Falls der Papst auf sein Amt verzichten sollte, ist zur Gültigkeit verlangt, dass der Verzicht frei geschieht und hinreichend kundgemacht, nicht jedoch, dass er von irgendwem angenommen wird.“ Im Codex iuris canonici (Can. 332) klingt das fast so einfach wie im Film.
Von Heidemarie Klabacher
Was wird der nach der Wahl ausgebüxte Papst tun? Was sagen? Vor allem: Wann wird seine Heiligkeit belieben, wieder aufzutauchen? Nanni Moretti ist voller Sympathie: mit den in Einzelzimmer gesperrten Kardinälen; mit dem Papstsprecher, dem sein frisch gewählter Chef durchgeht und dem die Weltkirche auf den Fersen ist; mit dem Psychoanalytiker, der einen hochkarätigen anonymen Klienten beraten soll, ohne viel zu fragen; mit der Frau des Psychoanalytikers, die bei jedem ein Aufmerksamkeitsdefizit aufspürt und die nicht damit fertig wird, dass ihr Mann „der Beste“ ist; mit dem Schauspieler, dessen Seele ein wenig aus dem Ruder gelaufen ist; mit dem Papst, dessen Schwester - im Gegensatz zu ihm selbst - seinerzeit an der Schauspielschule angenommen wurde. Aber Tschchow kann dieser geistliche Herr immer noch zitieren.
Viel Sympathie hat Moretti nicht zuletzt mit dem Kirchenvolk, das da auf dem Petersplatz auf die Verkündigung der frohen Botschaft - aufs "Habemus papam" - wartet. Und das sind fast zuviel Sympathieträger für einen einzigen Film, der denn auch gerade an dieser Vielzahl von Themen und Geschichten ein wenig krankt. So lässt „Habemus papam“ spannende Facetten nur halb beleuchtet, viel versprechende Handlungsstränge bleiben unverknüpft. Immerhin ist es kein Film gegen die Kirche - was derzeit leider nur allzu nahe liegend und damit allzu simpel wäre. Ein wenig simpel geht freilich auch Nanni Moretti an die Sache heran.
Der gewählte Papst also ist verschwunden, was aber niemand weiß außer dem Sprecher. Dieser suggeriert den Kardinälen und der Welt, dass der Papst in seiner Wohnung sei und Kraft und Mut im Gebet tanke. Bis es aber soweit ist und das Wahlergebnis der Stadt, dem Erdkreis und den Medien bekannt gegeben werden kann, bleiben die armen Kardinäle weiterhin eingesperrt. In Einzelzimmer und in die eigene Seele. Bis alles offiziell ist, darf auch der Psychoanalytiker nicht mehr raus aus dem Vatikan. Er rührt dafür im Kardinalskollegium um. Herzig und rührend, aber nicht wirklich überraschend, dass auch ein Kardinal nur ein Mensch ist…
Was passiert mit einem Papst, der gewählt worden ist, die Wahl angenommen hat und sich dann doch außer Stande fühlt, das oberste Hirtenamt anzutreten? Ist es tatsächlich so leicht, als Papst zurückzutreten, wie Nanni Moretti vermittelt und wie Can. 332 zu bestätigen scheint? Wie ist das mit der Angst vor Gegenpäpsten und Kirchenspaltung? Allein das wäre ein „cooles“ Thema, spannender, wie ein Krimi, wenn man in die Kirchengeschichte schaute.
Auch wenn der Plot ein wenig überfrachtet ist, bleibt man gerne dran an der Papstjagd. Denn „Habemus papam“ lebt von den opulenten ruhig geflimeten Bildern (Kardinäle in voller Adjustierung machen echt was her), vor allem aber von der subtilen Personenführung und den sich zwischen den Figuren doch immer wieder überraschend verschiebenden Beziehungen. Vom Papst-Analytiker und Volleyball-Trainer zu den Kardinälen und Mannschafts-Mitgliedern etwa. Leider ist eben nicht nur ein solcher Handlungsstrang Thema des Films.
Facettenreich gezeichnet jedenfalls sind die Charaktere der einzelnen Kardinäle. Jerzy Stuhr ist der geplagte Pressesprecher. Nanni Moretti persönlich gibt mit Ruhe und Understatement den unerschütterlichen Psychoanalytiker. Vor allem aber ist niemand Geringerer als Michel Piccoli der Papst. Das allein lohnte den Kinobesuch.