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Verwunderte Dorfkühe

DAS KINO / SOMMER IN ORANGE

02/09/11 Lili lebt in zwei Welten, die gegensätzlicher nicht sein könnten: In der einen wächst sie in einer Sannyasin-Kommune auf, in der anderen besucht sie eine bayrische Dorfschule. Marcus H. Rosenmüller erzählt davon humor- und liebevoll in seinem neuen Film.

VON URSULA TROJAN

„Und glaubt nicht alles, sind bloß Lehrer“, erinnert die Mutter am ersten Schultag – und die zwölfjährige Lili und ihr jüngerer Bruder Fabian ziehen los. Man schreibt das Jahr 1980. Ort der buntgemischten Handlung ist ein kleines, bayrisches Provinznest namens Talbichl. Vor dem Unterricht wird das Vaterunser gebetet, die Mädchen tragen Stutzen, Dirndlröcke und hochgeschlossene Rüschenblusen. Lili, mit ihrer Bhagwan-Gemeinschaft gerade von Berlin hierher übersiedelt, eckt nicht nur mit ihrer Kleidung gewaltig an. Über ihre orangefarbenen, indischen Klamotten kann die Lehrerin ja noch hinwegsehen; das Thema Hausaufgabenpflicht ist da schon ein anderes!

Der Zuseher erlebt aus der Sicht des heranwachsenden Mädchens, gefühlsmäßig ganz nah dran, das beständige, verzweifelte Bemühen nach Zugehörigkeit. Die Sehnsucht nach „Normalität“. Nach Akzeptiertwerden von Schulkameraden, die Lilis große Familie schon mal als „nackerte Terroristen“ bezeichnen. Und dabei ist das noch die harmlose Form! So viel Lebensfreude, ausgelebt in Wald und Wiese, in sonnenfarbener Baumwolle oder gleich hüllenlos, ist den Dorfbewohnern suspekt. Sind diese Kombucha-Trinker nicht doch Satanisten? Mit denen kann und will man nichts zu tun haben. Lili kämpft auf kluge Weise: In kleinen, aber überzeugenden Schritten nähert sie sich dem bislang unbekannten Kulturkreis an. Doch dann kommt der Tag des Dorffestes, der „Party of the village“, und so schrecklich wie amüsant zugleich fliegt Lilis Doppelleben auf.

Lilis Mutter Amrita (wie ein blonder Engel: Petra Schmidt-Schaller) war einst (und ist es noch immer) aufmüpfig gegenüber ihrer eigenen Mutter. Nun hat sie selbst eine rebellierende Tochter. Allerdings ist die Sachlage ins Gegenteil verkehrt: Lili fällt in Anpassung und verhasste Spießigkeit. Amrita ist außer sich über das, was da hinter ihrem Rücken passiert ist. Sie weiß genau, dass sie mehr Verantwortung zeigen müsste. Ihr Konflikt ist jedoch der, dass sie noch so viel an sich arbeiten, „ sich noch von so viel befreien“ muss. Das Thema „Wie viel Mutter braucht ein Kind“ beutelt die Erziehungsberechtigte dann ganz schön her. Amber Bongard als Lili ist eine Glücksbesetzung. Ernsthaft und glaubwürdig wechselt sie  nicht nur optisch zwischen beiden Welten. Gibt es eine bessere Darstellung der Pubertätszeit an sich?

Der gelungene, vergnügliche Film basiert auf Erinnerungen von Drehbuchautorin Ursula Gruber an ihre eigene Kindheit in einer Sannyasin-Kommune. Sie und ihr Bruder Georg (der als Produzent agierte) konnten auf selbst erlebte Situationen zurückgreifen. Am Ende des Streifens glotzen nicht nur die Kühe auf das überraschende Schlussbild.

Zu sehen ab 3. September im DAS KINO.
Bilder: Majestic/Christian Hartmann

 

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