Stimmungsmalerei mit Stil
FILMKRITIK / PRISCILLA
23/01/24 Vor wenigen Tagen ist bekannt geworden, dass Priscilla Presley der heurige Opernball-Gast von Richard Lugner sein wird. Eine bessere Publicity hätte sich der österreichische Verleih wohl kaum wünschen können für den kürzlich erfolgten Kinostart von Sofia Coppolas biographischem Drama Priscilla.
Von Andreas Öttl
Der Film beruht auf der 1985 veröffentlichten, von Priscilla Presley selbst verfassten Biografie Elvis and Me. Die Hndlung setzt im Jahr 1959 ein, als Priscilla Beaulieu (großartig: Cailee Spaeny) auf einem Armeestützpunkt in Deutschland im Alter von nur vierzehn Jahren auf einer Party den bereits weltweit als Rock n‘ Roll Superstar bekannten Elvis Presley (trotz wenig optischer Ähnlichkeit sehr charmant: Jacob Elordi) kennenlernt. In weiterer Folge skizziert der Film die turbulente Beziehung der beiden bis zur Ehe im Jahr 1967 und der Trennung im Jahr 1972.
Elvis ist in Sofia Coppolas Film beinahe eine Nebenfigur, bei einem Live-Auftritt sieht man ihn nur kurz gegen Ende. Doch nicht nur mit ihrem Fokus auf Priscilla wirkt der Film wie die Antithese zu Baz Luhrmanns Elvis-Film aus dem Jahr 2022. Während Luhrmanns Streifen gewohnt schrill und überladen war, ist Sofia Coppolas Priscilla das reduzierte, impressionistische Gegenstück. Sofia Coppolas Arbeit mag zwar etwas näher an Biopic-Konventionen sein, dennoch ist auch in ihrem Film die singuläre Handschrift der Regisseurin ab dem ersten Bild erkennbar.
Die intime Atmosphäre vieler Szenen erweckt etwa Erinnerungen an The Virgin Suicides (1999). Der männliche Ego-Trip von Elvis lässt an den Protagonisten von Somewhere (2010) denken und der goldene Käfig, in dem sich Priscilla am Ende in Graceland befindet, weist Parallelen zum Versailles von Marie Antoinette (2006) auf. Wie schon in diesen sowie ihren anderen Filmen werden all jene Zuseher den Kinosaal zufrieden verlassen, die sich von einem Film weniger große Gefühle und das Erzählen einer packenden Geschichte als das Evozieren einer gewissen Stimmung wünschen. Und es wäre kein Sofia-Coppola-Film, wenn nicht alles sehr geschmackvoll wäre.
Neben den Kostümen (die in Zusammenarbeit mit den Modehäusern Chanel und Valentino entstanden sind) und der authentischen Ausstattung ist vor allem die feine Kameraarbeit von Philippe Le Sourd erwähnenswert. Ursprünglich wollte Coppola auf 35mm Film drehen, doch aufgrund des engen Budgets entschied man sich doch dagegen. Der digital geschaffene Filmlook wirkt hier jedoch ausnahmsweise stimmig. Die Vorzüge digitaler Kameras bei schlechten Lichtverhältnissen kommen in den dunklen Innenszenen, welche das Innenleben der gefangenen Protagonistin sehr treffend visualisieren, umso mehr zur Geltung.
Auch der Soundtrack ist präzise ausgewählt und – eine weitere Parallele zu ihren früheren Filmen – anachronistisch. Elvis-Songs gibt es kaum zu hören, dafür einige andere ikonische, teilweise neu interpretierte Songs aus der Zeit sowie Filmmusik der Indie-Pop-Band Phoenix, mit dessen Frontman Sofia Coppola verheiratet ist.
Die Demontage eines amerikanischen Mythos und die kritische Auseinandersetzung nicht nur mit Elvis, sondern generell mit Celebrity-Kult und dunklen Seiten der Männlichkeit erfolgt zwar auf sanfte Weise, dies macht den Film jedoch nicht weniger effektiv. Unter der verträumten und unweigerlich auch etwas nostalgisch gefärbten Oberfläche steckt im Kern von Priscilla ein durchaus aktueller, wenn auch für heutige Verhältnisse in dieser Form nicht revolutionärer Aufruf zu weiblicher Selbstbestimmung. Man kann jedenfalls davon ausgehen, dass Priscilla Presley bei der Auswahl ihres Opernball-Kleids – anders als die junge Priscilla in einer Filmszene – keinen Ratschlag von Richard Lugner benötigen wird.
Bilder: Stadtkino Filmverleih