Von der Zither über die Bratsche zum Orchester
IM PORTRÄT / MANFRED HONECK
15/01/14 Manfred Honeck dirigiert in dieser Woche drei Konzerte bei der Kulturvereinigung, er steht am Pult der Wiener Symphoniker. Honeck pendelt zwischen der Alten und der Neuen Welt. Nach Chefpositionen in Stockholm und Oslo kam er an die Spitze des renommierten Pittsburgh Symphony Orchestra.
Was macht österreichische Dirigenten eigentlich so interessant für die Amerikaner? „Dirigenten, die quasi aus dem ‚Mutterland der klassischen Musik‘ kommen, sind in den USA sehr hoch angesehen, weil sie in diesem Bereich eine reiche Tradition mitbringen“, erklärt Honeck, der vor seiner Dirigentenlaufbahn Bratschist bei den Wiener Philharmonikern war.
Interessant, wenn Honeck über den Orchesterklang räsonniert: „Ich bin jemand, der vehement gegen die Globalisierung des Klanges kämpft und wiederhole das immer, weil Identitätsverlust keinen Sinn macht.“ Nicht zuletzt seien Tourneen deshalb ergiebig, weil das Publikum anderen Färbungen hören könne. „Die Wiener Oboen und Hörner haben ihren Platz in Wien, nur dort und nirgendwo anders.“ Man könne nicht von der amerikanischen Klangtradition sprechen. „Früher gab es mal das Etikett ‚technisch perfekt‘, aber die US-Orchester ‚lechzen‘ in der Tat danach, Musik zu machen. Nicht zuletzt wurde der Klang dieser Orchester stark von weltberühmten Dirigenten geprägt, die oft als Chef lange an einem Ort wirkten.“ Zwischen den einzelnen Orchestern seien deutliche Unterschiede zu hören. „Das Pittsburgh Symphony Orchestra klingt anderes als das Philadelphia Orchestra, das Cleveland Orchestra anderes als das Los Angeles Philharmonic. Der Unterschied zu Europa liegt eher in den Strukturen, in anderen Spielweisen. Die Wiener Symphoniker haben mit Sicherheit ein sehr auf Wien zugeschnittenes Profil.“
Seine Dirigentenlaufbahn begann Honeck als Assistent von Claudio Abbado und Leiter des „Jeunesses Musicales“ Orchesters Wien. Nach Stationen am Opernhaus Zürich (wo er 1993 den Europäischen Dirigentenpreis erhielt), beim MDR Sinfonieorchester Leipzig und der Nationalorchester Oslo wirkte er mehrere Jahre als Erster Gastdirigent des Philharmonischen Orchesters Oslo. Von 2000 bis 2006 war er Chefdirigent des Schwedischen Radio-Symphonieorchesters Stockholm, von 2007 bis 2011 Generalmusikdirektor der Staatsoper Stuttgart. Seit der Saison 2008/09 ist Manfred Honeck Music Director beim Pittsburgh Symphony Orchestra, wo sein Vertrag nach zwei Verlängerungen bis 2020 läuft. Er ist auch Erster Gastdirigent der Tschechischen Philharmonie in Prag.
Ein Musiker wie Honeck, der zwischen Europa und den USA pendelt, denkt fast zwangsläufig nach über Grenzen zwischen E- und U-Musik – und deren Überschreitung. „Jeder Mensch, den man womöglich begeistern kann, ist es wert, dass man Musik aufführt, die leichter zugänglich ist“, versichert Honeck. „Das ‚Eventisieren‘ ist jedoch ein großes Problem, da dadurch letztlich von der Musik abgelenkt wird. Wenn nur das Äußere wichtig ist und nicht der Gehalt, kann das für die klassische Musik schwierig werden.“
Manfred Honeck weist dezidiert auf die dirigentischen Ansprüche gerade der vermeintlichen „leichten Muse“ hin: „Einem Dirigierschüler würde ich tatsächlich zuerst einmal einen Strauß vorlegen, weil es hier darum geht, das Rubato zu lernen, das, was nicht in den Noten steht.“
„Ich habe wohl fünf- bis sechsmal beim Neujahrskonzert mitgespielt“, erinnert sich Honeck. „Das allererste unter der Leitung von Lorin Maazel war schon etwas ganz Besonderes. Mich hat das Spielen im Orchester sicherlich sehr beeinflusst, die Art und Weise, das ‚Um und Auf‘, wie dieses Repertoire gespielt wird.“ Gerade für die Bratschen sei ja der Nachschlag in der Begleitung wesentlich. „Ich bin tatsächlich schon sehr früh in die österreichische Volksmusik eingetaucht, zuhause wurde gesungen und ich habe als junger Mensch auch Zither gelernt, auf der man ja gerade dieses Repertoire spielt.“ (Kulturvereinigung/dpk)