Meine großen romantischen Frauen
IM PORTRÄT / ANNE SCHWANEWILMS
28/07/11 Die international gefeierte Strauss-Expertin Anne Schwanewilms singt die Kaiserin in Richard Strauss’ Oper „Die Frau ohne Schatten“. Christian Thielemann dirigiert die Wiener Philharmoniker. Christof Loy inszenierte die „Märchenoper“ als Schallplattenaufnahme im Tonstudio. Stephen Koch singt den Kaiser, Anne Schwanewilms die Kaiserin. Premiere ist am Freitag (29.7.).
Von Heidemarie Klabacher
Angefangen hat sie mit einem "tiefem Altklang", sie habe ihr Stimmfach über Mezzo zum Sopran also zweimal gewechselt, erzählt Anne Schwanewilms. „Irgendwann dachte ich mir ‚Ich bin kein Alt’. Dann wurde ich ein Mezzo.“ 1995 habe sie sich gesagt: „Ich glaube, du bist auch kein Mezzo. So wurde ich ein Sopran.“ Dieser Fachwechsel habe sie - „Weil es mir so leicht fiel“ - gleich ins dramatische Wagnerfach geführt: „Lohengrin hat wunderbar geklappt. Aber ich erkannte bald: Ich kann auch Lyrisches!“
Nach einiger Zeit habe sie zu spüren begonnen, „wenn ich weiter nur Wagner singe, gehen mir Feinheiten verloren“. 2002 hat sie sich verordnet: „Nur mehr Elisabeth und Elsa! Alles andere - Isolde, Brünhilde - wurden gestrichen. Dafür der Ruf: Gebt mir doch mal ´nen Rosenkavalier! Und so wurde ich zu einem Strauss-Sopran“, fasst Anne Schwanewilms zusammen.
Bejubelt wurde etwa im vergangenen Dezember ihre Marschallin in Madrid: „Die Spanier haben es geliebt! Und Gerard Mortier war glücklich, in seiner ersten Spielzeit diese Inszenierung bringen zu können. Da steckt viel Geld dahinter, aber es hat sich gelohnt. Es ist eine der schönsten Rosenkavalier-Inszenierungen, die ich kenne. Am Ende der Geschichte bin ich nicht nur die Marschallin. Ich bin die Fädenzieherin: Ich beeinflusse alle, direkt oder indirekt. Ich liebe es!“ Der „Spanische“ Rosenkavalier geht übrigens zurück auf die Salzburger Festspiel-Inszenierung von Herbert Wernicke im Jahr 1995, ein enger Salzburg-Bezug also.
Anne Schwanewilms, die nun die Kaiserin in „Die Frau ohne Schatten“ singen wird, über ihren Zugang zu ihren Rollen: „Ich versuche eine eigene Handschrift zu finden: stimmlich, darstellerisch, aber auch vom Verständnis der Figur und ihrer Zeit her. Die Kaiserin ist wohl eher eine Märchenfigur. Aber auch die Marschallin ist nicht nur aus dem ‚gewöhnlichen’ Leben geschnitten. Sie ist eine Frau aus dem Adel, sie weiß Befehle zu geben, sie weiß sich zu benehmen, hat also von vornherein eine andere Einstellung zu den Menschen um sie herum.“ Vor dem Rosenkavalier habe sie Literatur aus der Zeit gelesen oder im Museum einschlägige Bilder angeschaut und so versucht, sich in die Zeit einzufühlen.
Wie aber die Marschallin für sie nicht nur eine Figur des Alltags ist, ist die Kaiserin für Anne Schwanewilms nicht ausschließlich eine Märchenfigur: „Die Kaiserin in ‚Frau ohne Schatten’ ist mehr als Rotkäppchen. Sie ist auch mehr als nur eine Persönlichkeit mit einem psychischen Manko. Die Kaiserin trägt Züge eines realen Frauenschicksals.“ Regisseur Christof Loy hat sich ein Spiel im Spiel ausgedacht: Eine Gesamteinspielung der Strauss-Oper ist der Rahmen seiner Inszenierung. Spannend, wie die Sängerin der Kaiserin die Sängerin der Kaiserin darstellen und singen wird.
Wie passt eine in aller Welt viel gefragte bejubelte Sängerin auf ihre Stimme auf? „Heute finde ich meine Stimme in mir, ohne dass ich etwa am Stimmsitz etwas verändern muss. Wenn man an Gefühle denkt, färbt man den Klang ohnehin - aber immer in einem Rahmen, der der Stimme zuträglich ist.“
Wie spannend erzählt Anne Schwanewilms vom Leisen: „Wie schön das Leise! Dadurch berührt man die Menschen. Wenn Sie Wagner singen und eine Stimme haben, die Forte zeigen kann, dann werden mit der Zeit die Piano-Stellen nicht mehr gefragt. Die Stimme wird auf Dauer forciert. Aber eine Stimme hat nur begrenzte PS-Zahlen. Fährt sie immer am Limit komm es schnell zu Verschleißerscheinung.“
Bei Strauss - nach Ariadne oder Arabella - führte sie der nächste größere Schritt zur Kaiserin: „Der Wunsch ist vor etwa drei Jahren erwacht. Mal gucken, habe ich bei mir gedacht.“ Dass sie die Rolle nun gleich in Salzburg singen könne, „umso besser, umso schöner!“ Ihre Stimme sei jedenfalls reif für die Kaiserin: „Sie erfordert schöne große lyrische Bögen. Ich fühle die Kraft, die ich in der Stimme habe, diesen Spinto…“
Gibt es auch das Gegenteil? Wächst eine Sängerin über eine Rolle auch irgendwann hinaus? Sie habe „damals“ als hoher Mezzo studiert, könne einen Cherubino oder Oktavian wohl noch anbieten, sagt Anne Schwanewilms. „Aber ich bin froh, dass ich meine Frauen gefunden habe, meine großen romantischen Frauen.“ Irgendwann vielleicht wieder Leonore, sinniert die Schwanewilms. „Aber jetzt genieße ich einmal mein lyrisches Dasein mit leichtem Spinto.“
Ob Elsa oder Arabella: „Wichtig für jeden Sänger sind gesunde Instinkte: Wo sind meine Grenzen? Wie kann ich mich selber einschätzen? Worauf kann ich mich verlassen? Das sind Naturinstinkte, die mir notfalls auch sagen: ‚Was der Dirigent da erzählt, das ist nicht richtig.’“ Sie fasst zusammen: „Gesundes Selbstvertrauen und nicht zuviel verbissener Ehrgeiz - der geht auf die Stimme.“
Deswegen freut sich die Sopranistin wohl auch so über die Frage, mit welcher „Art“ von Dirigenten sie am liebsten zusammenarbeite: „Das ist ein Dirigent, der meine Stimme mag! Wenn der Dirigent meine Stimme mag, dann weiß er genau, was diese Stimme braucht. Und dann fühle ich mich gut aufgehoben. Denn man die Stimme mag, weiß man, was nötig ist, um ihre Qualität hervorzubringen.“
So hymnisch wie ihre Opernauftritte werden auch die Liederabende von Anne Schwanewilms gefeiert. „Liederabende sind was für mein Herz und meine Seele. Da kann ich in kürzester Zeit eine weite Reise machen, kann viele Rollen vertreten. Liedgesang weckt meine eigene Phantasie. Liederabende sind ein Geschenk, Augenblicke, wo die eigene Seele frei schwingt. Das gelingt nicht durchgehend, aber die kurzen Momente sind schön genug.“