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Großinquisitor oder Präsident der Herzen?

IM PORTRÄT / JOACHIM GAUCK

03/06/11 „Gauck-Behörde“ war einst, nach der Wiedervereinigung Deutschlands, ein so fester Begriff wie „Wendehals“. Der Theologe, Politiker und Publizist Joachim Gauck wird nun anstelle des ursprünglich vorgesehenen, wenig dezent "ausgeladenen" Jean Ziegler am 27. Juli die Rede zur Festspieleröffnung halten.

Von Reinhard Kriechbaum

altEr sei „mit einem gut begründeten Antikommunismus aufgewachsen“ und zu strenger Ablehnung der staatlichen DDR-Obrigkeit erzogen worden, sagte der 1940 in Rostock geborene Joachim Gauck. Er studierte evangelische Theologie und war Pastor in mecklenburg und Rostock. Zwar wurde er stets von der Stasi aufmerksam beobachtet, aber es gab keine ernsthaften Repressalien gegen ihn. Als Bürgerrechtler profilierte Gauck sich zur Wendezeit. Zwischen 1990 und 2000 war er Beauftragter für die Stasi-Unterlagen – das war die Zeit, da sein Amt als „Gauck-Behörde“ in aller Munde war. In einem Interview zu seinem Siebziger im Vorjahr hat Gauck die Stasi-Unterlagenbehörde als "eine Apotheke gegen Nostalgie" bezeichnet.

Politisch bezeichnet sich der als Vortragender viel gefragte Joachim Gauck selbst als „linken, liberalen Konservativen“ und „aufgeklärten Patrioten“ – was das auch immer heißen mag. Für seine Tätigkeit als Aufdecker der Stasi-Machenschaften hat er sich freilich nicht nur Freunde gemacht. Aus SED-Kreisen ist er nicht selten als „evangelischer Großinquisitor“ gescholten wollen.

2010 war Gauck Kandidat der SPD und der Grünen für die deutsche Bundespräsidentschaftswahl nominiert, was stark diskutiert wurde, gerade wegen der politischen Positionierung: Häufig wurde angemerkt, dass Gauck ebenso gut der Kandidat des konservativ-liberalen Lagers hätte gewesen sein können. Gaucks Erfolgschancen wurden als gering angesehen – aber er unterlag dem Gegenkandidaten Christian Wulff erst im dritten Wahlgang. „Präsident der Herzen“ titelte damals der „Spiegel“. Er gehört jedenfalls zu jenen Menschen im gegenwärtigen politischen Leben, die in allen Lagern Autorität genießen und deren Stimme wohl gehört wird.

Dazu trägt auch Gaucks rhetorische Begabung bei. Als Redner ist Gauck viel gefragt, und auf diese Tätigkeit versteht er sich wie wenige: Nicht von ungefähr hat er in Deutschland den Cicero-Rednerpreis und den Dolf-Sternberger-Preis für öffentliche Rede erhalten: "Ich habe nur aufmerksame Zuhörer, ich kenne nichts anderes", sagt er selbstbewusst.

Das Leben in der DDR, in einem politischen System, das Bürgerrechte systematisch beschnitten hat, prägte ihn und seine Sicht auf unsere gegenwärtige Lage: "Eine solche Gesellschaft mit Bürgerrechten und Pressefreiheit werde ich immer mit Dankbarkeit und Glück anschauen", sagte er im Vorjahr in einem Interview für n-tv.

Eine politische Rede zur Festspieleröffnung ist zu erwarten, aber wohl nicht in dem Sinn, wie der ursprünglich vorgesehen gewesene Jean Ziegler sie gehalten hätte: Gauck wird die Sache, so darf man annehmen, von der Seite der politischen Freiheit und nicht von der Welt-Ökonomie her angehen.  Die Sponsoren sollten nichts gegen Wortmeldungen von seiner Seite befürchten müssen.

Das hat der landessprecher der Grünen in Salzburg, Cyriak Schwaighofer, dieser Tage prompt angemerkt: Es werde „eine Rede sein, von der sich das Festspielpublikum innerlich eher distanzieren wird können als von den Ausführungen eines Jean Ziegler“, denn bei dem Globalisierungskritiker wäre es um das unheilvolle Treiben der multinationalen Konzerne gegangen. „Und Konzernchefs sitzen sicher mehr im Publikum als ehemalige DDR-Größen", so Schwaighofer.

Bild: Archiv

 

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