Kunst als Zufall – aber essbar
TODESFALL / DANIEL SPOERRI
24/11/07 Eine kleine Ewigkeit ist es her, da war Daniel Spoerri Dozent bei der Internationalen Sommerakadmie auf der Festung. Musée sentimental: „Salzburg Inkognito” war damals das Thema seiner Klasse. – Der Künstler, der in vielen Sparten umtriebig war, ist 94jährig verstorben.
Von Reinhard Kriechbaum
Eine jüngere Erinnerung an Daniel Spoerri in Salzburg: Vor zehn Jahren hat es in der Landesgalerie im Traklhaus eine Ausstellung zum Thema „Sessel, Stuhl, Hocker in der Kunst“ gegeben. Dazu hat Spoerri ein Ding beigesteuert, das wie eine Kreuzung aus Rollator und Einkaufswagen ausgesehen hat, mit einem Totenkopf und Stahlhelm auf der Sitzfläche. Ein paar Wochen später, im Sommer 2014, konnte man dieser Installation mit dem Titel Carellino/Kinderwägelchen abermals begegnen: Da war sie zentrales Dekorationsstück der Georg Trakl gewidmeten Kammeroper Liebesfluch (Musik Hans Kraus-Hübner, Libretto Michaela Moritz), aufgeführt sinnigerweise im Hof des Traklhauses.
In der Schweiz hat man Daniel Spoerri vor allem lokalisiert, so dieser Kosmopolit überhaupt einem Land zuzuordnen war. Aber geboren wurde er 1930 im rumänischen Galați als Daniel Isaac Feinstein. Sein Beginn waren auf der Bühne, als Tänzer. Er gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der Objektkunst, Mitbegründer der Künstlergruppierung Nouveau Réalisme und als Erfinder der Eat-Art.
Aber – so ungefähr – der Reihe nach: In Zürich und später in Paris studierte Spoerri von 1949 bis 1954 klassischen Tanz und Pantomime. Nach seiner Rückkehr wurde er am Stadttheater Bern als Solotänzer engagiert, wo er Avantgardestücke von Eugène Ionesco, Pablo Picasso und Jean Tardieu inszenierte. Während dieser Zeit versuchte sich Spoerri bereits als Regisseur von Kurzfilmen. 1957 arbeitete er als Regieassistent am Landestheater Darmstadt. In Darmstadt bildete sich um Spoerri, Emmett Williams und Claus Bremer ein Kreis konkreter Dichter. 1959 zog Spoerri nach Paris und machte dort bald Bekanntschaft mit Jean Tinguely, Arman, François Dufrêne und Yves Klein und gründete die Edition MAT, die die ersten Multiples herausgab. In Paris entstand Spoerris erste Objektkunst und vor allem seine Tableaux pièges, die berühmten Fallenbilder: Im Zufälligen sah Daniel Spoerri die Realität der Welt abgebildet.
1960 wurde unter Mitwirkung Spoerris die Gruppe Nouveau Réalisme gegründet, wieder mit Jean Tinguely und Yves Klein. 1967/68 verbrachte Spoerri ein ganzes Jahr auf der griechischen Insel Symi. Da entstanden 25 Objekte unter dem Titel Gastronomisches Tagebuch – 25 objets de magie à la noix. Gleich darauf eröffnete Spoerri mit einem Wirt in Düsseldorf das Restaurant der Sieben Sinne, wo Kunstaktionen unter anderem mit Joseph Beuys, Robert Filliou, Dieter Roth, Ben Vautier und Emmett Williams stattfanden. Eat Art war in den folgenden Jahren ein starkes Thema. Spoerri wurde in Folge Kunst-Professor in Köln und München. In seinen Kochbüchern ging es erwartungsgemäß mehr um Kunst als ums Essen selbst.
In den 90er Jahren schuf er einen ausgedehnten Skulpturenpark, seit 1997 eine italienische Stiftung.
2009 wurden in Hadersdorf am Kamp (bei Krems) in Niederösterreich das Kunststaulager Spoerri eröffnet. Ab 2007 lebte Daniel Spoerri in Wien.