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Das Gedächtnis nicht nur der Ära Karajan

TODESFALL / PETER CSOBADI

31/10/23 „Journalist i. R.“ steht in den Todesanzeigen. Was für eine Untertreibung. Peter Csobadi, fast drei Jahrzehnte lang Pressechef der Osterfestspiele Salzburg, war vor allem eines: Zeitzeuge eines ganzen Jahrhunderts. Selbst Erlebtes wusste er unnachahmlich fesselnd zu erzählen.

Von Reinhard Kriechbaum

Karajan und sein Pressesprecher Peter Csobadi, zu nächtlicher Stunde hungrig gestrandet in einem Moskauer Hotelzimmer. Nichts da außer mitgebrachte Salami und Whisky. – Eine der Schnurren, die Peter Csobadi gerne zum Besten gab. In Moskau – und an der Seite Karajans – ereignete sich aber auch Dramatischeres. 1968, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, wurde Csobadi von Agenten abgeholt und verhört. Dass er nicht in Sibirien landete, sondern wieder bei Karajan und den Berliner Philharmonikern, die damals in Moskau auf Tournee waren, war möglicherweise Karajans Autorität zu verdanken. Karajan dirigierte übrigens 1969 in Moskau die Zehnte von Schostakowitsch – „Karajans Außenpolitik“ im Kalten Krieg, wie es Csobadi formulierte.

Aber der Reihe nach: Der Sohn eines angesehenen Budapester Advokaten und einer Pianistin, die Bela Bartók als Lehrer hatte, hätte Jurist werden sollen. 1944 entging der damals 21jährige nur knapp der Hinrichtung durch die Nazis. Der junge Mann war dann im ungarischen Außenministerium tätig, als Kurier zu den Botschaften im Ausland. Gerne erzählte Csobadi davon, wie er in Moskau im Vorzimmer Stalins saß und aus unmittelbarer Nähe die Aktivität des undurchschaubaren Staatsapparats beobachten konnte. Als die Kommunisten 1948 in Ungarn an die Macht kamen, verlor Csobadi den Job. Nach einem Jahr der Arbeits- und Hoffnungslosigkeit fand er eine Stelle beim Budapester Rundfunk, dann bei einer der wenigen verbliebenen liberalen Zeitungen im Land. „Mich hat die Notsituation und die politische Angst zur Musik gebracht.“

Nach der gescheiterten Revolution und dem Einmarsch der Sowjets in Ungarn 1956 flüchtete Csobadi nach Österreich. Unter den 150.000 Ungarn-Flüchtlingen waren auch viele der besten Musiker des Landes, und so wurde Csobadi in diesem Jahr einer der Mitbegründer und erster Direktor des Exilantenorchesters Philharmonia Hungarica. Karajan und Böhm stellten sich damals bei den Orchester-Vorspielen als Juroren zur Verfügung, und Menuhin stand dem Orchester mit Rat und Tat beiseite.

Nach kurzer Tätigkeit im Musikverlag Doblinger holte der Dirigent Ferenc Fricsay Peter Csobadi als persönlichen Sekretär nach Berlin. Eine intensive, aber auch wieder nur kurze Zusammenarbeit, denn Fricsay, kurz nach dem Mauerbau 1961 Chefdirigent der Deutschen Oper geworden, erlag jung einem Krebsleiden.

Peter Csobadi wurde Redakteur beim Sender Freies Berlin, wo er eine legendäre Interviewserie mit Zelebritäten der Musikszene führte. Einer seiner gut vierhundert prominenten Gesprächspartner in der sonntäglichen Sendereihe Das musikalische Gästebuch war Herbert von Karajan. Auch dazu eine Anekdote: Peter Csobadi, der sich über Ferenz Fricsays Beharrlichkeit, falsches Deutsch zu sprechen, lustig machte, hatte durchaus Bedenken wegen seines eigenen ungarisch gefärbten Idioms. Der Sendeverantwortliche in Berlin hat seine Skrupel beiseite gewischt: „Ach, det biscken süddeutscher Akzent wird der Sache nicht schaden.“

„Mit tausend Freuden“, so Csobadi, habe er – damals gerade Pressechef der Berliner Festwochen – schließlich die Einladung Karajans angenommen, als sein Pressesprecher auch die Öffentlichkeitsarbeit für die 1967 mit der Walküre begonnenen Osterfestspiele zu übernehmen. Damals übersiedelte Csobadi nach Salzburg (er lebte Jahrzehnte lang in Hof). Den Osterfestspiel-Job hat er über den Tod Karajans hinaus auch unter Sir Georg Solti und Claudio Abbado bis 1995 ausgefüllt.

Zu Csobadis 90. Geburtstag 2013 hat Werner Thuswaldner Gespräche geführt, die Material gleich für eine Box mit drei CDs hergab, Mein Weg mit Herbert von Karajan. Diese wertvollen Tondokumente sind leider nur mehr antiquarisch erhältlich. Jenem Dirigenten, mit dem ihn 32 Jahre engster und loyalster Zusammenarbeit verbanden, hat Peter Csobadi 1988 das Buch Karajan oder Die kontrollierte Ekstase gewidmet, eine kritische Huldigung durch Zeitzeugen.

Peter Csobadi ist am 20. Oktober in Hof bei Salzburg gestorben. Er wurde 100 Jahre und zwei Monate alt.

Bilder: dpk-Archiv (1); privat (2)
Zum Porträt Karajans Wegbegleiter für Jahrzehnte

 

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