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Ich möchte Musik machen, die nicht alt klingt!

INTERVIEW / ALFREDO BERNARDINI

23/06/23 Heute Freitag (23.6.) kommt bei der Styriarte in Graz ein Projekt zum Abschluss, das Licht auf ein besonderes Kapitel der österreichischen Musikgeschichte geworfen hat: Johann Joseph Fux als Opernkomponist. Dirigiert hat alle diese Aufführungen Alfredo Bernardini.

Von Reinhard Kriechbaum

Die Barockoboe ist sein ureigenstes Metier, aber in den vergangenen Jahren hat der 1961 in Rom geborene Musiker eben auch als Dirigent von Fuchs-Opernraritäten auf sich aufmerksam gemacht. Als Lehrer war er in Amsterdam und in Barcelona tätig. Seit 2014 hat er eine Professur an der Universität Mozarteum in Salzburg.

Heute wird in Graz Fux' repräsentativste Oper zu hören sein, Costanza e fortezza. „Für die Uraufführung dieses Stücks, anlässlich der Krönung von Kaiser Karl VI. zum König von Böhmen 1723 in Prag, hat man über hundert Instrumentalisten geholt, aus allen Ecken von Europa“, erzählt Alfredo Bernardini. „In der Sinfonia gibt es acht Trompeten und zwei Pauken! Die Streichergruppe müsste vierzig oder fünfzig Leute haben für einen solchen 'Event'“. Eigentlich hätte die Styriarte ein Riesenprojekt vorgehabt, eine Akademie als Zusammenarbeit aller Musikuniversitäten in Österreich. „Wir hätten viele junge Leute dabei gehabt. Aber das lässt das stark gekürzte Budget jetzt leider nicht zu. Wir machen nun konzertant eine Auswahl der bekanntesten Arien.“

Seit 2018 hat Bernardini jedes Jahr bei der Styriarte ein bühnendramatisches Werk von Johann Joseph Fux aus der Versenkung geholt. „Manche dieser Stücke waren nicht wirklich Opern, sondern 'Feste teatrale', komponiert zu Namenstagen von Mitgliedern des Kaiserhauses“, erklärt Bernardini. „Es waren also Privataufführungen. Unglaublich viel Arbeit für ein, zwei Mal! Opern von Vivaldi in Venedig oder Händel in London wurden vierzig Mal und öfter aufgeführt.“

Was reizt Alfredo Bernardini an der Musik von Johann Joseph Fux? „Seine Musik steckt voll Humor und Fantasie. Natürlich ist sein Kontrapunkt wissenschaftlich sehr stark. Er ist ein guter Komponist – schließlich war er der Kapellmeister vom Kaiser! Aber es gibt sehr viele Asymmetrien. Man denkt, er geht nach rechts, und dann geht er nach links. Wenn man einen solchen Komponisten für sich entdeckt, dann dauert es also, bis man ihn versteht.“ Fux' weltliche Opern haben sehr viel Farbe, mit Chalumeau, Viola da Gamba, Viola d'amore. „Ich erinnere mich an ein Nachtstück, da schnarren zwei Violen da Gamba – chrrr. So etwas gibt es auch in einem Instrumentalwerk, Le dolcezze e l'amarezze de la notte. Es ist faszinierend, wie man die Nacht in so vielen Facetten darstellen kann. Und es gibt einen Satz, der heißt Il ronfatore (Der Scharcher) – da schnarren die Bassgeigen inmitten eines ganz ruhigen Abschnitts. Eine ganz tolle Idee.“

Auf sechs Opern war das Grazer Fux-Opernprojekt angelegt. „Natürlich würde ich gerne weitermachen – aber es gibt viele andere Sachen“, sagt Bernardini. Antonio Caldara zum Beispiel. Vorigen Herbst hat er in Salzburg, für die Bachgesellschaft, dessen Assalonne erarbeitet. Das Oratorium wurde 1728 in Salzburg aufgeführt. Was ist anders bei Caldara, der unter Fux Zweiter Hofkapellmeister in Wien war? „Caldara ist galanter. Fux schreibt einen kunstvollen Kontrapunkt, seine Musik hat mehr Wissenschaft. Bei Caldara geht es mehr um schöne Melodien, er schreibt kantabler. Wobei auch Fux mit den Stimmen sehr gekonnt umgeht. Sein Gefühl für die italienische Sprache ist unglaublich für einen Nicht-Italiener.“

Alfredo Bernardini ist ein Spezialist für die Barockoboe. Er hat nicht nur eine tolle Sammlung von Originalinstrumenten, er hat sogar selbst Oboen gebaut. „Es gab in meiner Studienzeit in ganz Europa nur fünf oder sechs Personen, die sich mit der Barockoboe beschäftigten. Sobald es sich machen ließ, mit achtzehn Jahren, bin in nach Holland gezogen. Aus geplanten sechs Monaten dort sind 26 Jahre geworden. Bald nach Ende des Studiums kam ja der Ruf ans Konservatorium in Amsterdam, wo ich 22 Jahre lang unterrichtete.“

Als prägenden Lehrer nennt Alfredo Bernardini Bruce Haynes. „Damals, in Den Haag, habe ich gelernt: Man muss sich immer wieder Fragen stellen. Das war ja die große Revolution in der Alten Musik, dass man dem Notentext misstraute und immer wieder die Quellen befragte. Oft findet man Antworten, vieles bleibt offen. Deshalb hört man die gleiche Musik aus unterschiedlichsten Perspektiven und Interpretationen.“

Ein Glück in seinem Leben sei es gewesen, dass er „in einer guten Zeit auf einem guten Platz war“, sagt Bernardoini. „Es gab ja nur wenige Professionisten auf der Barockoboe. So durfte ich in verschiedenen Orchester auf der ganzen Welt spielen. Am Anfang mit La petite bande in Belgien, dann sehr viel mit Jordi Savall und seinen Gruppen. Dann habe ich mit dem Bachcollegium Japan Bach-Kantaten aufgenommen. Fünf Jahre lang war ich Mitglied im English Concert unter Trevor Pinnock, dann bei Ton Koopman und seinem Amsterdam Baroque Orchestra, schließlich noch bei Thomas Hengelbrock. Was ich so besonders fand, dass jede dieser Gruppen ihre eigene Sprache pflegte. Das ist möglich, weil wir sehr viel wissen, es aber auch viele Lücken gibt. Jeder nutzt diese Freiräume ein bisschen anders.“

Für Alfredo Bernardini entscheidend: „Es ist wichtig, dass die Musik eine Geschichte erzählt. Es heißt zwar Alte Musik – aber ich möchte Musik machen, die nicht alt klingt! Alte Musik ist eigentlich eine Einengung.“

Und der Oboenbauer Bernardini? „Als junger Musiker musste ich mich fragen, werde ich leben können als Barockoboist, in einer damals weitgehend freiberuflichen Szene? So habe ich mit Sechsundzwanzig eine Drechselbank gekauft. Handwerklich gesehen ist eine Barockoboe nicht so kompliziert, die hat nur sechs Löcher und zwei Klappen. Es hat mir Spaß gemacht – und es war eine Absicherung. Außerdem ist der Instrumentenbau eine gute Abwechslung zum Musizieren. Ich nehme mir beim Bauen alle Zeit der Welt, um es gut zu machen. Und wenn es nicht klappt, geht es in den Ofen.“ An die zweihundert Instrumente hat Bernardini gebaut, aber dass ist schon längere Zeit her.

Heute Freitag (24.6.) leitet Alfredo Bernardini in Graz eine konzertante Wiedergabe von Fux „Costanza e fortezza“ – www.styriarte.com
Bilder: dpk-krie

 

 

 

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