Ohne Prometheus keine Atombombe
INTERVIEW / PETER SIMONISCHEK
25/05/21 Prometheus hat den Göttern das Feuer geklaut und den Mensch geschenkt. Ob diese seither was Kluges damit angestellt haben? Zeus war jedenfalls sauer und hat den Titanen an einen Felsen im Kaukasus gekettet... Sein Schicksal beschäftigt Dichtung, Kunst und Menschen bis heute. „Es macht Freude, sich die Geschichte von Prometheus erzählen zu lassen“, sagt Peter Simonischek. Er erzählt bei der Kulturvereinigung mit Beethovens grandioser Musik von uns allen – Den Geschöpfen des Prometheus.
Von Heidemarie Klabacher
„Prometheus ist einer, der für unsere heutige Zeit und unser Weltbild – unser christliches Weltbild – noch immer von Bedeutung ist“, sagt der Schauspieler Peter Simonischek im Gespräch mit DrehPunktKultur. „Die Motive des Mythos sind uns vertraut. Erzählt wird ja auch hier zeitlos gültig von Sündenfall und Vertreibung. Nur ist die griechische Mythologie anschaulicher, weniger metaphorisch als die biblische Schöpfungsgeschichte. Der Apfel, der Adam und Eva zu Fall brachte, wird durch das Feuer ersetzt.“ Das sei, meint Peter Simonischek, eine sehr konkrete Beschreibung dessen, was den Unterschied zwischen Primaten und Mensch ausmache. „Auch in der Anthropologie unterscheiden ja die Forscher, ob eine Spezies Feuer machen konnte oder nicht. Der homo sapiens hatte diese Fähigkeit. Ich finde das sehr sinnlich, sehr anschaulich.“
Peter Simonischek ist diese Woche zusammen mit dem Sinfonieorchester Basel zweimal zu Gast bei der Kulturvereinigung im Großen Festspielhaus und liest Texte zu Ludwig van Beethovens Ballettmusik Die Geschöpfe des Prometheus.
Der Titanensohn also stiehlt den Göttern das Feuer, bringt es den Menschen – und deren „Fortschritt“ ist seither nicht mehr aufzuhalten. Da steckt bis heute viel berechtigte Kritik drin. In den frühesten der zahlreichen antiken Prometheus-Überlieferungen ist Prometheus sogar der Schöpfer, der den Menschen aus Lehm erschafft. Auch das kennen wir aus der Genesis des Alten Testaments. „Prometheus will jedenfalls etwas Gutes für den Menschen erreichen, und wird von Zeus dafür hart bestraft.“ Peter Simonischek erinnert an den Felsen im Kaukasusgebirge, die Ketten, den Adler, der dem Helden regelmäßig die sich ständig wieder erneuernde Leber aus dem Leibe frisst: „So fantastisch viele Strafen bei den Griechen auch sind – tatsächlich ist die Leber das einzige menschliche Organ, das nachwachsen kann, dessen Zellen sich erneuern können.“ Ob die alten Griechen das wussten? „Der Mythos hat jedenfalls auch hier einen realen Kern.“
Wie vielschichtig und weitläufig die Folgen von Prometheus' verbotener Gabe an die Menschen tatsächlich sind, erzählt ja auch die Episode mit der wunderschönen Pandora: „Es wird ja nicht nur Prometheus hart bestraft, sondern auch die Menschheit.“ Stichwort für das wunderschöne, ebenfalls aus Lehm geschaffene Mädchen Pandora. Im Auftrag des Göttervaters gießt sie einen – ebenfalls irdenen – Krug voll Hass Neid und Lüge über die Menschheit aus. Oft ist von der sprichwörtlichen „Büchse der Pandora“ die Rede. „Ob Krug oder Büchse, drinnen waren auch Seuchen“, erinnert Peter Simonischek. Passt nicht schlecht in unsere „Corona-Zeit“.
Der Schauspieler liest auf Gastspielreise mit dem Sinfonieorchester Basel unter der Leitung von Ivor Bolton aus keiner der vielen griechischen oder späteren Text-Varianten zwischen Lyrik und Drama, sondern aus einer ganz modernen Arbeit: Der Schweizer Alain Claude Sulzer hat im Auftrag des Basler Sinfonieorchesters zu Beethovens Ballettmusik Die Geschöpfe des Prometheus einen neuen Text geschrieben. „Ich liebe diese Musik“, betont Peter Simonischek. „Das Werk wird ja selten als Ballettmusik verwendet. Es ist schon zu Beethovens Zeit nicht gerade hymnisch empfangen und von den Ballettmeistern als dem Tanze nicht eigentlich förderlich betrachtet worden“. Gespielt wird eine Auswahl aus den meist nur vier bis sechs Minuten dauernden Einzelsätzen. Dazwischen liest der österreichische Schauspieler die Texte des Schweizers Alain Claude Sulzer: „Das ist ein wunderbarer Autor, der auch wunderbare Romane geschrieben hat.“ Sulzer konzentriere sich auf wesentliche Episoden, ausgehend von einer kurzen Genealogie der höchsten Gottheiten, über den Diebstahl des Feuers bis hin etwa zur Geschichte von der Domestizierung des Wolfes zum Hund als Begleiter und Beschützer des Menschen.
„Die Basler spielen das toll. Und Ivor Bolton ist ein grandioser Dirigent. Ein temperamentvoller, musikantischer, ein lebendiger Mensch“, schwärmt der Schauspieler. „Es ist einfach schön, diese Menschheitsgeschichten zu lesen und dabei dieses energiegeladene Bündel Musik neben sich zu haben.“
Ivor Bolton habe ihn übrigens als Schauspieler ganz aktuell sehr beeinflusst, erzählt Peter Simonischek im Gespräch mit DrehPunktKultur. Erst jüngst habe er in zwei sehr unterschiedlichen Filmen einen Dirigenten gespielt: Im Film Crescendo des Regisseurs Dror Zahavi spielt Simonischek den Leiter eines israelisch-palästinensischen Jugendorchesters (wobei man natürlich an Daniel Barenboim und dessen West-Eastern Divan Orchestra denkt). Im TV-Film An seiner Seite – zum 80. Geburtstag von Senta Berger – gibt der Ex-Jedermann einen Star-Dirigenten, der nicht kürzertreten mag. „Ich habe mir bei Ivor Bolton die Anregungen für diese Figuren geholt.“
Bilder: Salzburger Kulturvereinigung / Xenia Hausner
Das erste Auslandsgastspiel nach der Coronapause führt das Sinfonieorchester Basel unter der Leitung seines Chefdirigenten Ivor Bolton diese Woche zur Kulturvereinigung ins Große Festspielhaus. In beiden Konzerten auf dem Programm steht Ludwig van Beethovens Ballettmusik Die Geschöpfe des Prometheus op. 43. Am Mittwoch (26.5.) erklingt dazu die "Zweite" Schubert, am Donnerstag (25.5.) Mendelsohn Bartholdys Konzert für Violine und Orchester e-Moll, op. 64 mit dem Solisten Emmanuel Tjeknavorian - www.kulturvereinigung.com