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Die im Dunkeln sieht man jetzt

HINTERGRUND / NAZI-OPFER IN SALZBURG

07/03/18 Das Personenkomitee Stolpersteine sorgt nicht nur dafür, dass Gedenksteine vor jenen Häusern verlegt werden, deren Bewohner in der Zeit des Nationalsozialismus deportiert und ermordet wurden. Im Hintergrund geschieht viel dokumentarische Arbeit. Federführend ist der Salzburger Historiker Gert Kerschbaumer. Jetzt gibt es online auch eine Opferliste nach Bezirken.

„Glaubt man den Nationalsozialisten, dann haben sich ihre Terror-Opfer selbst umgebracht“, sagt Gert Kerschbaumer, ein Kenner der Archivalien wie wenige, mit einer gehörigen Portion Sarkasmus. „Oder sie wären gar eines natürlichen Todes gestorben, falls man bestimmte Einträge in den Geburtsbüchern für bare Münze nimmt.“ So sei beispielsweise die Witwe Eva Gessl, die als Eva Amoser am 9. Mai 1874 in Rauris geboren und getauft wurde, offiziell am 28. April 1941 in „Hartheim bei Linz O. D. [Oberdonau]“ an „Paralitieus“ gestorben. Nachzulesen im Taufbuch der Pfarre Rauris (Matricula Online): „Daraus geht allerdings nicht hervor, dass die damals 66-jährige Eva Gessl, eine Patientin der Landesheilanstalt Salzburg (jetzt Christian-Doppler-Klinik), in Hartheim vergast wurde“,weiß Kerschbaumer.

Acht Jahrzehnte nach dem vielumjubelten „Anschluss“ Österreichs im März 1938 veröffentlicht das Personenkomitee Stolpersteine eine Dokumentation über alle Terror-Opfer des NS-Regimes im Bundesland Salzburg. Dabei versucht man den Blick zu schärfen auf die im befreiten Österreich sehr spät oder noch immer nicht gesetzlich anerkannten Opfergruppen.

Selbst den österreichischen Deserteuren der Deutschen Wehrmacht gelang eine Anerkennung als Opfer zumeist nur, wenn sie Mitglieder einer jener politischen Parteien waren, die im Jahr 1947 das Opferfürsorgegesetz beschlossen hatten: ÖVP, SPÖ und KPÖ als Gründerinnen der Zweiten Republik. Auch gesetzlich nicht anerkannte Opfer haben Namen, die nicht ewig verschwiegen werden dürfen.

Illusorisch ist die Erforschung jüdischer Opfer anhand der Geburts- und Trauungsbücher der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg, da diese Dokumente seit den Terrorjahren als verlustig gelten – geraubte Bücher, geraubte Identität der Opfer. (Im Bild Adolf Altmann, der in Auschwitz ermordete Begründer der IsraelitischenKultusgemeinde Salzburg.) Ebenso vergeblich ist die Recherche anhand der Opferfürsorgeakten, da die in Exilländern lebenden Vertriebenen und Hinterbliebenen von Shoah-Opfern in Österreich keinen Anspruch auf Opferfürsorge hatten.

Gleiches gilt für die ebenfalls aus rassistischen Motiven verfolgte Opfergruppe der Roma und Sinti mangels österreichischer Staatsbürgerschaft – Diskriminierungen also über das Befreiungsjahr 1945 hinaus.

Viele Opfernamen sind bereits in den 1991 erschienenen Bänden Widerstand und Verfolgung in Salzburg 1934-1945 dokumentiert, doch mit erheblichen Lücken: wenige Holocaust-Opfer, auch wenige namentlich bekannte Roma und Sinti des „Zigeunerlagers Maxglan“. Durch den offenen Zugang zu diversen Opferdatenbanken im Internet ist der Wissensstand heute freilich höher als im Jahr 1991.

Das 1991 veröffentlichte Verzeichnis der in Hartheim ermordeten Kranken aus der Landesheilanstalt Salzburg beruht auf den geheimen „War Crimes Records“ der US-Army. Ein Vergleich zeigt allerdings, dass die 1991 publizierte Abschrift fehler- und lückenhaft ist und wegen der fehlenden Geburtsorte der Opfer für eine Identitätsfeststellung in den Geburtsbüchern kaum zu gebrauchen ist.

Mittlerweile sind auch die in Hartheim ermordeten Salzburger Opfer aus Schernberg bei Schwarzach im Pongau und anderen Orten erforscht, überdies jene in Eglfing-Haar bei München und „Am Spiegelgrund“ in Wien ermordeten Kinder aus Salzburg – ein Wissen, das ein respektvolles Gedenken möglich macht.

Um die Suche zu erleichtern, wurden die Salzburger Opfer des NS-Terrors in der neu zusammengestellten Datei nach politischen Bezirk geordnet. Innerhalb dieser Regionen-Listen sind die Namen (bei Frauen auch die Geburtsnamen) alphabetisch aufgeführt.Zu jedem Opfer sind Geburtsort, letzter Aufenthalt, eine kurze Information über diejeweilige Verfolgung, Deportationund Ermordung sowie das Todesdatum angegeben.

In Arbeit ist noch das erweiterte Opferverzeichnis der Stadt Salzburg, das wegen seiner Größe nach Opfergruppen geordnet werden muss. Die Namen sind aber schon zum Großteil auf der Homepage des Personenkomitees Stolpersteine mit derzeit 408 Opferbiografien in Deutsch und Englisch abzurufen.

Das auf dem neuesten Wissensstand fußende Verzeichnis, derzeit49 Seiten stark, sei als ein Work in progress zu verstehen, sagt man beim Personenkomitee Stolpersteine. (Personenkomitee Stolpersteine)

Die Dokumentation zum Downoadwww.stolpersteine-salzburg.at
Bilder: www.stolpersteine-salzburg.at / Verein Ketani (1); Archiv Manfred Altmann (1)

 

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