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Es ist ein Wunder …

GASTKOMMENTAR

altVon Markus Steinwender

20/12/10 … dass es in Salzburg freies, also unabhängiges, professionelles, berufliches Theater gibt. Abseits der Festspiele, dem Landestheater und den beiden anderen festen Theatern mit Ensembles,  Schauspielhaus und Toihaus, ist eine rege Szene, die zwar gerne geehrt, gerne für Förderpreise oder Projektpreise hergenommen wird, die aber täglich ums Überleben kämpft.

Es ist nur dadurch möglich, weil all die KünstlerInnen sich mit vielen Jobs über Wasser haltenM; weil sie es zulassen, sich am Rande des Existenzminimums zu bewegen; weil sie es zulassen, in prekären Beschäftigungsverhältnissen meistens auf Honorarbasis ohne soziale Absicherung zu arbeiten; weil sie bereit sind, sich für die Kunst, für das Theater und damit, wenn man die Aufgabe desselben Ernst nimmt, für die Gesellschaft auszubluten. Die Politik und die Kulturverwaltung weiß das, getan hat sich nichts.

Das Land ist beim Förderniveau des freien Theaters 2009, 2010 und 2011 beim Stand von 1999. Toll. Kein Euro. Keine Teuerung. Nichts. Okay, dazwischen, also von 2000 bis 2008 war es noch düsterer. Wir reden hier aber nicht von vielen, vielen Euros. Nein, das Budget für freie Theater-Produktionen liegt beim Land bei 118.000,- Euro. Da kann man sagen, toll, das ist viel Geld. Ja, wenn man damit zwei Theater-Produktionen macht, ist das genug. Ja, zwei Produktionen! Es gibt eine wunderbare Richtgagen-Broschüre der IG Freie Theater, in der die Kosten für eine Theaterproduktion aufgeschlüsselt werden und man von einem Verdienst von 2.000,- brutto im Monat ausgeht. Das sind netto 1.400,- im Monat, also keine Angst, Reichtum noch nicht inbegriffen. Und nicht jede/r freie KünstlerIn hat ein Projekt nach dem anderen.

In dieser Broschüre werden die Kosten für eine Theaterproduktion mit 5 DarstellerInnen, BühnenbildnerIn, RegisseurIn, KostümbildnerIn, ein bisschen Maske, TechnikerIn, ein bisschen Organisation und was man sonst so personell braucht, mit 40.000,- Euro pro Monat angegeben. Ohne Materialkosten, wohl gemerkt. Eine Produktion probt normalerweise 1,5 Monate, also sind wir bei 60.000,- Euro. Das ist das Geld, das pro Produktion gebraucht würde, um so zu arbeiten, dass man nicht auf der Probe darüber nachdenken muss, wie man seine Miete, sein Essen, seinen Strom zahlt.

Nun gibt das Land also 118.000,- im Jahr für freie Theaterproduktionen aus und förderte 2009 (da waren es in Wirklichkeit sogar nur 93.000,- für freie Produktionen) damit insgesamt 23 Produktionen. Es werden 2010 und 2011 nicht mehr oder weniger sein. Da einige Gruppen unter dem Titel Jahresförderung sogar mehr als eine Produktion machen, kann man von mindestens 25 Produktionen ausgehen. Und das ergibt pro Produktion im Schnitt EUR 4.720,- Förderung. Toll. Nach der erwähnten Richtgagen-Broschüre der IG Freie Theater ist das immerhin schon mal ein Viertel eines Monologes. Da sich die Stadt finanziell auch so reinhängt, haben wir dann schon einen halben Monolog. Ok, nach den Jubelmeldungen der letzten Wochen aus den KultursprecherInnen-Stuben der Stadtpolitik, - Sie erinnern sich sicher: 10.000,- Jahresförderung für „ohne titel“, 10.000,- Jahresförderung für die „Theater(Off)ensive“ - hat die eine oder andere Gruppe jetzt sogar das Geld für drei Viertel eines Monologes. Toll. Ich bin so glücklich.

Man könnte natürlich sagen, sollen es halt nur zwei Gruppen sein und die kriegen richtig Geld. Ja, das wäre eine Möglichkeit. Dann könnten wir uns gleich auch den/die entsprechende/n KulturbeamtIn sparen und hätten sogar Geld für eine dritte Gruppe. Das könnte man dann auslosen. Oder die Politiker entscheiden, wer es dieses Jahr machen darf. Oder die Freien machen es sich untereinander aus. Oder eine Jury wählt aus. Geht sicher alles irgendwie. Haben wir auch ein bisschen schon: Podium. „Lass dir was einfallen. Reiche dein Konzept ein. Darfst vielleicht das Projekt machen.“ Auch eventuell ausfinanziert, d.h. kostendeckend. Wir streichen zwar auch deinen Finanzplan ein bisschen ein. Weil du kannst ja nicht rechnen, bist ja Künstler. (Kleiner Einschub: Rechnen kann die Kulturabteilung des Landes übrigens auch nicht, wie die Website des Landes beweist. Dort stimmt die 2009er-Gesamtsumme für die Darstellende Kunst nicht mit der Aufsummierung der einzelnen Posten überein, aber das nur nebenbei).

Aber erstens müsste die Politik dann Farbe bekennen. Und das tut sie nur ungern. Müsste klar sagen, was sie wann haben will und was nicht. Tut sie auch nur ungern. Lieber ist ihr ein bisschen was da, ein bisschen was da. Weil sie (und die KulturbeamtInnen) listigerweise mit einer Besonderheit der KünstlerInnen rechnen: er/sie hat etwas zu erzählen, er/sie will etwas bewegen, er/sie will, ja muss, seine Kunst machen: Und im Notfall macht er/sie die halt mit dem bisschen Geld, dass ihm/ihr gegeben wird. Sagt sogar noch „Danke!“ und überlegt, woher er/sie sonst noch Geld bekommen könnte, ob das Geld vom anderen Job reichen könnte, wie er/sie es den am Projekt beteiligten KünstlerInnen erklären soll, dass sie für jeweils 1.000,- auf Rechnung, d.h. vor Steuern, die nächsten 6 Wochen sich jeden Tag acht Stunden treffen werden und gemeinsam ein Theaterstück erarbeiten werden. Und dann auch noch 10 Vorstellungen spielen werden und das in den 1.000,- schon dabei ist. Weil für die Theaterproduktion sind nun Mal insgesamt nur 10.000,- Subvention von Stadt und Land gemeinsam hereingekommen. Aber es soll kein halber Monolog werden, sondern sechs DarstellerInnen auf der Bühne, KostümbildnerIn, RegisseurIn, MusikerIn. Und träumt dann von der Richtgagen-Broschüre. Träumt von den benötigten 60.000,-. Träumt von Projektsummen wie sie die Stadt Wien vergibt. Träumt... Träumt...

... von Budgeterhöhungen für das freie Theater wie sie das Landestheater im gleichen Zeitraum erhalten hat. Dessen Landes-Subvention hat sich nämlich im Zeitraum 1999 bis 2010 um rund 800.000,- erhöht, auf jetzt rund 5,8 Millionen pro Jahr. Die Stadt gibt ebenfalls nochmal rund 5,8 Millionen dazu. Hat also im gleichen Zeitraum unm dieselbe Summe erhöht. Das alles führt dazu, dass 2011  rund 97,5% des Budgets für professionelle darstellende Kunst (ohne Festspiele) beim Land Salzburg bei den drei festen Theaterhäusern mit Ensembles landen werden. Das Landestheater mit 85% weit vorne, mit großem Abstand folgend das Schauspielhaus mit 9,5% und wieder mit Abstand das Toihaus mit 3%. Das kleine theater als das (nicht produzierende und ohne Ensemble agierende) Haus der freien Szene erhält 0,8%.

Die freie, produzierende Theaterszene darf sich mit 1,7% zufrieden geben.

Kurz: auch wenn die Situation bei der Stadt Salzburg ein bisschen besser als beim Land ist, sind die Gesamtbudgets für die Produktionen der freien Tanz- und Theaterschaffenden im Grunde ein Witz. Leider ein schlechter.

Die Forderung ist einfach: das Budget für die Produktionen der freien, professionellen Theaterschaffenden unverzüglich auf 5,5% des Darstellenden Kunst-Budgets zu erhöhen. Das wären dann 375.000,- für freie, professionelle Theaterprojekte beim Land. Und damit sind schon – vorausgesetzt die Stadt geht mit, deren Weg dorthin ist auch nicht so weit – DREI komplette Theater-Monologe, FÜNF Theaterproduktionen mit zwei SchauspielerInnen, Zehn Theaterproduktionen mit drei SchauspielerInnen, FÜNF Theaterproduktionen mit fünf SchauspielerInnen und ZWEI Theaterproduktionen mit zehn SchauspielerInnen möglich. Und alle diese 25 Produktionen zu Honoraren laut der Richtlinien-Broschüre der IG Freie Theater und damit zu Bedingungen, die das Leben der beteiligten KünstlerInnen ermöglichen. Zur Erinnerung: Hier geht es beim Land Salzburg um eine Erhöhung des freien, also von Theaterhäusern unabhängigen, Theaterbereichs um 257.000,-. Bei einem Gesamtbudget für die Darstellende Kunst von rund 6.800.000,-.

Kein Geld dafür?  Bitte nicht so was sagen! Einmal bei den Freien statt beim Landestheater erhöhen. Und/oder bei den Osterfestspielen noch mal in sich gehen. Und Schwupps, haben wir die fehlenden 257.000,- beim Land schon budgetiert. Aber das müsste man natürlich auch wollen.

Markus Steinwender,Regisseur & Schauspieler, ist Geschäftsführer des "kleinen theater.haus der freien szene".
Zur Meldung {ln:Zum Leben zu wenig zum Sterben zuviel}
Zur Hintergrund-Geschichte Prekär ist eigentlich gar kein Ausdruck

 

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