Wer ist stärker, ich oder ich?
KOMMENTAR
Von Reinhard Kriechbaum
04/10/23 Bauen im Weltkulturerbe ist immer so eine Sache – man denke nur an das seit Jahren schwelende Heumarkt-Projekt in Wien. Heumarkt im Kleinformat (für den Ort aber doch deutlich zu groß) war in Salzburg das unterdessen nach viel Hin und Her fertiggestellte Projekt vor dem Unfallkrankenhaus.
Auch in Salzburg also haben Bauvorhaben schon die Verantwortlichen von ICOMOS (das sind die von der UNESCO in Sache Weltkulturerbe ernannten Beobachter) aufs Tapet gerufen. Logisch also, dass die ÖVP, die ja auch die Interessen der Bauunternehmer vertritt, in der von ihr regierten Stadt kein geringes Interesse zeigt, potentielle Reibungsflächen zwischen Bau-Willigen und Denkmalschützern zu glätten.
Wie sie das in den nächsten Jahren zu tun gedenkt? Es fügt sich gerade günstig, dass der Welterbe-Beauftragte der Stadt, Alexander Würfl, seine Arbeit aus persönlichen Gründen nach zehn Jahren niedergelegt hat. Ohne viel öffentliches Aufsehen hat Vizebürgermeisterin und Baustadträtin Barbara Unterkofler mit Monatsbeginn den Abteilungsvorstand der Magistratsabteilung 5, Andreas Schmidbaur, mit dieser Aufgabe betraut. Magistratsabteilung 5? Das ist die Planungs- und Baubehörde der Stadt.
Welterbe-Beauftragter und oberster Bau-Planer ist also künftig ein und derselbe Kopf. Nicht zu Unrecht prangert das die Bürgerliste an: „Planungschef, Chef der Baubehörde und Welterbemanager gehen nicht zusammen“, so Klubobfrau Ingeborg Haller. Mit der Entscheidung für Andreas Schmidbaur habe Vizebürgermeisterin Unterkofler eine „einsame Entscheidung ohne Einbindung der übrigen Fraktionen im Gemeinderat“ getroffen. „Noch undemokratischer geht’s gar nicht.“
Noch erfolgversprechender aber auch nicht, wenn es im Ernstfall darum ginge, Interessen der Baubranche vor den strengen Augen von ICOMOS schönzufärben. Einen guten Eindruck davon vermittelte heute Mittwoch (4.10.) ein Pressegespräch, bei dem Barbara Unterkofler eben diese Sache als einen „Schulterschluss zwischen Stadt und ICOMOS“ angepriesen und die „richtige Balance zwischen Fortschritt und Schutz“ beschworen hat. „Für Schutz und Entwicklung arbeiten ICOMOS und die Stadt Salzburg im Schulterschluss zusammen“, titelt das InfoZ ins seiner Presseaussendung.
Was genau tut der 2013 eingeführte „Weltkulturerbe-Beauftragte“? Dieser Beamte ist „der im Außenverhältnis legitimierte Ansprechpartner im Rahmen des Welterbeschutz-Systems – insbesondere für ICOMOS, die UNESCO und die Republik Österreich“. Zugleich ist er für die Kontaktpflege zwischen der Sachverständigenkommission für die Altstadterhaltung (SVK), Gestaltungsbeirat (GBR) und den Welterbe-Institutionen verantwortlich. Und er hat „alle organisatorisch-formalen Vorgaben der UNESCO“ umzusetzen.
So klingt das im Amtsdeutsch. Und weiter: „Im Rahmen des internationalen Systems zum Welterbe-Schutz ist es explizit nicht Aufgabe der Stadt, selbst eigene fachliche Haltungen zu entwickeln und kundzutun, da hierfür die gesetzlich normierten sowie durch die internationalen Welterbe-Institutionen legitimierten Experten berufen sind.“
Jedenfalls ist's nicht unvorteilhaft, wenn die Baubehörde gleich den Chef dafür abstellt. „Anders als von Unterkofler dargestellt, wird damit keine Schnittstelle für Bauprojekte geschaffen, sondern reine Ämterkumulation betrieben“, ätzt die Bürgerliste nicht unbegründet. „Unvereinbarkeiten sind nicht auszuschließen, auch wenn sich der neue Welterbemanager nicht befangen fühlt.“
„Jetzt bin ich wirklich neugierig, wer stärker ist, ich oder ich“, heißt's bei Nestroy. Vielleicht wäre ein Weltkulturerbe-Anwalt zielführender als ein Weltkulturerbe-Beauftragter in Position eines Bau- und Planungschefs? Aber wir haben ja erst vor kurzen am Beispiel des Landes und der Umweltschutz-Anwältin gesehen, wie schnell auch außerparteiische Stimmen deutlich leiser gedreht werden können.