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Architektur- und Wirtschaftsmuseum

KOMMENTAR

Von Reinhard Kriechbaum

25/02/21 Da könnte also, so's denn gebaute Wirklichkeit wird, links vom Bad Gasteiner Wasserfall hinter dem Jugendstil-Konglomerat ein Hotelturm herausragen. Auf dem Dach etwas, was neudeutsch so schön Infinity-Pool heißt.

„Unendlichkeitsbecken“ heißt das Wort übersetzt. Die Methode ist längst gängig im Poolbau. Kein garstiger Betonrand, sondern obere Seitenwand und Wasserspiegel sind eins. Der Schwimmende schaut in die Gegend. Davon gibt es im Gasteinertal ausreichend und es lohnt sich, sie auch wirklich anzuschauen. Selbst beim Schwimmen.

Denken wir aber mal nach darüber, was der Badegast auf Etage dreizehn des geplanten Hotelturms eher nicht im Blick haben wird: den Jugendstil-Komplex, der eigentlich das heutige Erscheinungsbild von Bad Gastein ausmacht.

Wie, wenn heutzutage jemand auf die Idee käme, eine Hotelsiedlung unmittelbar an die Krimmler Wasserfälle zu bauen? An die Stirn würde man sich tippen. In der Gründerzeit kannte man solche Bedenken nicht. Was da hart am Gasteiner Wasserfall gebaut wurde, ist – nach damaligem Verständnis – eine Hochhaussiedlung. Ging auch nicht anders, der gerade gegen Ende des 19. Jahrhunderts boomende Tourismusort am Steilhang war angewiesen auf die Verbauungsdichte. Über die Jahre und Jahrzehnte gewöhnt man sich bekanntlich an Architektur, oft rascher als erwartet. So scheint uns heute die Anhäufung aus wuchtigem Historismus und Jugendstil gemeinsam mit dem zutale stürzenden Wasser nachgerade als ein ortsbildnerisches Kleinod.

Ist das unbedingt schützenswert? Noch Anfang der 1970er Jahre hatte man wenig Vorbehalte, beim Architekten Gerhard Garstenauer das Kongresshaus in Auftrag zu geben. Beton pur, ohne jeden stilistischen Bezug zur Umgebung. Auch schwer vorstellbar, dass das heutzutage durchginge. Denkmalschützer würden den Aufstand nicht nur proben, sondern sich mit Vehemenz durchsetzen. Damit ist nichts gegen die Architektur selbst gesagt, sie ist ein starkes Zeugnis für die Ästhetik der Erbauungszeit. Garstenauer hat dafür auch prompt 1975 den Architekturpreis des Landes Salzburg bekommen.

An und in diesem Ort haben jede Ära, jeder Zeitgeschmack Zeugnisse hinterlassen. Die jeweils Nachgeborenen haben damit zu leben gelernt. Warum also jetzt nicht ein weiteres Hochhaus, ein nun wirklich Respekt einflößend in die Höhe ragendes?

Das Verdichten, der Ruf nach einem Mehr an Betten ist etwas für den Ort Typisches. Es ist nicht mal unlogisch, die Touristen dort, wo es schon ein historistisches und jugendstiliges Minimundus-Manhattan gibt, zusammen zu pferchen. Sinnvoller jedenfalls als noch mehr Natur zu verbauen. Natur- und Denkmalschutz müssen da zurückstehen – viel ist sowieso für beide nicht mehr zu retten.

Und wenn sich das Mehr und Mehr an Gästebetten als Irrweg herausstellt, die Tourismus-Blase endgültig platzt? Dann hat man immerhin ein bewohnbares Architekturmuseum. Kluge Kunsthistoriker und Soziologen werden viel zu erzählen haben: über Vermarktungswahn, trügerische Hoffnungen und Utopien. Jedenfalls über falsch aufgezäumte und mit den Sporen ziemlich brutal vorangetriebene Tourismuspferde.

Die Bad Gasteiner Option ist also nicht nur ein Open-Air-Architekturmuseum, sondern auch ein Wirtschaftsmuseum, in dem unsere Nachfahren viel werden erfahren über uns und unsere möglicherweise nicht so hoch entwickelte Lernfähigkeit.

Zum Bericht Fünf vor Zwölf auf dem Zauberberg

 

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