Schweinefleisch und Noten vom Nahversorger!
GASTKOMMENTAR
01/02/20 Viele Menschen in Salzburg bewegt, dass die Mayrische – die einzige Musikalienhandlung zwischen München und Wien – in wenigen Wochen zugesperrt wird. Helmut Zeilner, Salzburger Landeschorleiter, vergleicht den Notenhandel mit dem Verkauf von Nahrungsmitteln aus der Region.
Von Helmut Zeilner
Ich erinnere mich noch, wie stolz ich war, als ich meinen ersten ledergebundenen Schubert-Liederband in den Händen halten durfte. Das ist jetzt dreißig Jahre her. Ich hatte diese Noten in Wien, im legendären Doblinger-Antiquariat erstanden, das es heute leider auch nicht mehr gibt.
Ein solches Glücksgefühl, wie ich es damals als junger Sänger empfand, möchte ich auch an meine Schüler weitervermitteln. Wie können wir unsere Schüler(innen) weiterhin vom Wert gedruckter Noten überzeugen, wenn sie keine Gelegenheit mehr haben, diese vor Ort zu kaufen? Wenn sie keine Möglichkeit mehr haben, beim Schmökern in der Buch- und Notenhandlung selbständig Schätze und Literatur zu entdecken? Auch das ist wichtig zur künstlerischen Reifung.
Hinsichtlich der Ernährung wurde in den letzten Monaten (endlich!) das Bewußtsein geschärft, wie immens wichtig es ist – nicht nur in gesundheitlicher, sondern auch in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht – sich regional zu versorgen. Dieses Bewußtsein sollte nun auch für „geistige“ Nahrung (denn genau das sind Noten und Musikbücher) geschaffen werden.
Das heißt, um diesen Vergleich weiter zu bemühen: Wer Fleisch aus Massentierhaltung kauft, anstatt sich beim Bauern direkt zu versorgen, braucht sich nicht zu wundern, wenn nicht nur er, sondern auch die Landschaft um ihn herum kaputtgeht, weil die klein strukturierten Bauernhöfe verwaisen. Etwas Vergleichbares passiert beim Herunterladen von Noten aus dem Internet: Erstens habe ich kein schönes und stabiles Buch oder Heftchen mehr in der Hand, sondern nur fliegende Zetteln. Zweitens sterben dadurch die Musikalienhandlungen. Die Mayrische in der Theatergasse ist mittlerweile das einzige Noten-Fachgeschäft zwischen München und Wien! Der Schaden geht weiter, er trifft die Musikverlage, dann die Komponisten … und so geht für uns alle existenziell wichtiges Kulturgut letztlich verloren.
Gibt es irgendeine Möglichkeit – vielleicht auch mithilfe der Kulturpolitik – Salzburgs einzige Musikalienhandlung zu retten? Sonst wäre es ein riesengroßer kultureller Verlust, nicht nur für die Musikum- und Mozarteum-Stadt (also für die Musik Lehrenden und ihre Schülerinnen und Schüler), sondern auch für die Festspiel- und Mozartstadt Salzburg.
Oder fügen wir uns unserem Schicksal und akzeptieren schweigend, daß sich die Welt eben radikal verändert hat und Mr. Bezos & Co. mittels moderner Sklaverei (!) die (selbstredend steuerfreie) Macht (mithilfe von Alexa als moderner „big sister“, die uns „watcht“) übernommen haben!?
Ich jedenfalls wäre sofort für jede Aktion, für jede Initiative zur Rettung der Mayrischen bereit und hoffe auf Gleichgesinnte.