Ochse, Esel, Fisch und Jesuskind
STICH-WORT
23/12/15 Facebook, Twitter und Email zum Trotz: Ganz abgelöst hat die virtuelle Post jene mit Papier und Couvert doch noch nicht. Und letztere werden auch nicht ausschließlich maschinell gestempelt, sondern bekommen noch gelegentlich eine Briefmarke. Weihnachten ist so ein Termin, wo offensichtlich doch noch viele Leute auf dieses – altmodische, aber Sympathie weckende – Erscheinungsbild achten.
Von Reinhard Kriechbaum
Jedenfalls legte die österreichische Post heuer wieder sieben Millionen Briefmarken mit Weihnachtsmotiven auf. Vier unterschiedliche Motive auch heuer: zwei „klassische“ Kunstansichten, eine Marke mit flottem Design (einem in Dreicks-Pixel zerlegten Tannenbaum), und schließlich eine mit der Karikatur eines etwas ratlos dreinschauenden Rentiers, das nicht ganz ohne Grund fragt: „Why Nachten“.
Solche Fragen lässt die Marke, für die man ein Salzburg-Motiv gewählt hat, gar nicht erst aufkommen. Der Jesusknabe, den wir für diesen Text vom Originalbild in der Pfarrkirche Liefering abfotografiert haben, hat ein so „lockigtes Haar“, als ob er dem Lied „Stille Nacht“ zu hundertfünfzig Prozent entsprechen wollte. Dieses Lied war damals, als der namenlose „Meister von Liefering“ sich zwischen 1465 und 1470 ans Malen machte, freilich noch lange nicht geschrieben. So weit sollte es erst 450 Jahre später sein.
Nicht in der Krippe liegt das Kind, sondern auf dem blauen Mantel der Maria. Ein Futtertrog steht eher unauffällig im Hintergrund, wo Ochs und Esel durch die Fensterbögen schauen. Auch zwei Hirten lugen neugierig herein. Die Ruinenmauer, der fein gearbeitete Gold-Hintergrund und die doch erlesenen Gewänder von Josef und Maria wollen irgendwie nicht zusammen passen.
Die 72 mal 55 cm große Holzplatte mit Temperamalerei ist eines von acht Gemälden, die einst zu einem Flügelalter gehörten. Das Ding, das Josef in der Hand hält, ist eine Kerze. Die brauchte es zwar nicht zur Raumerhellung, weil vom neugeborenen Jesus ausreichernd güldene Lichtstrahlen ausgehen. Aber die Kerze hat ikonographische Bedeutung. Sie steht für das Licht, das mit Gottes Sohn in die Welt kommt.
Es lohnt übrigens, auch die anderen Tafelbilder in der Pfarrkirche Liefering genauer anzuschauen. Eine schöne Verkündigungsszene ist dabei. Unter den männlichen Heiligenfiguren fällt ein Mann auf, der einen riesigen Fisch hält. Das ist kein Weihnachtskarpfen, sondern es geht um etwas ganz anderes: Der Fisch ist Symbol des heiligen Ulrich. Dieser hat der Legende nach einem königlichen Sendboten an einem Freitag ein Stück Braten als Wegzehung gegeben. Als man Ulrich aus dieser unbedachten Anleitung zum Fastenbrechen einen Strick drehen wollte, verwandelte sich das Fleisch auf wundersame Weise in einen Fisch.
Liefering war einst eine Siedlung von Salzachfischern. Deshalb haben sie auf Heilige gesetzt, die ihnen als Patrone gelten. Ulrich ist nahe liegender Weise ein solcher. Der heilige Nikolaus ist in Schiffahrtsangelegenheiten hilfreich. Und die beiden Weihepatrone der Kirche, Petrus und Paulus, sind „Menschenfischer“.
Die Pfarrkirche in Liefering feiert 2016 den 500. Jahrestag ihrer Weihe. Das spätgotische Gebäude folgte einer zwischen 1150 bis 1200 errichteten romanischen Kirche (ein paar Freskenreste sind erhalten) , aber schon seit dem 8. Jahrhundert gab es an der Stelle ein Gotteshaus.