Abt und Henne
STICH-WORT
15/04/16 Abtenau – da hatte wohl immer der Abt von St. Peter auch ein Wörtchen mitzureden, möchte man meinen. Und prompt wird die Pfarre heutzutage von einem Mönch aus dem landeshauptstädtischen Erzstift geführt. Eine Bestätigung alter kirchlicher Pfründe?
Von Reinhard Kriechbaum
Wir sitzen einem Sprachirrtum auf. Das neue HELSON räumt auf mit unserer Leichtgläubigkeit, Ortsnamen betreffend.
HELSON? Hinter der Buchstabenfolge verbirgt sich das „Historisch-Etymologische Lexikon der Salzburger Ortsnamen“. Es ist ein Buch, hinter dem hinwiederum die SONK steht, die Salzburger Ortsnamenkommission. Der Band 1, die Stadt Salzburg und den Flachgau betreffend, ist im Verlag Tandem erschienen. Das Zeug zum Bestseller hat das Buch wohl nicht, aber Historiker und Gemeindechronisten, die immer schon auf die SONK gebaut und tiefere Erkenntnisse erhofft haben, werden erfreut ins HELSON hineinlesen. Und schließlich: Wen SONK und HELSON nicht schrecken, der wird sich von Eigennamen wie Munderfing, Gnigl oder Muntigl schon gar nicht kleinkriegen lassen.
Was findet man in dem Buch? „Erfasst werden im Prinzip alle Namen der Städte und Dörfer, der Weiler, Rotten und Stadtteile des amtlichen Ortsverzeichnisses des Österreichischen Statistischen Zentralamtes“, heißt es im Vorwort der Herausgeber Thomas Lindner und Ingo Reiffenstein. „Unsystematisch aufgenommen sind Hofnamen von alleinstehenden Gütern, hauptsächlich dann, wenn dafür historische Belege vorliegen. Unsystematisch aufgenommen sind auch wichtigere Berg- und Gewässernamen.“
Jeder Salzburger Bezirk soll einen Band bekommen.
Bisher war das „Salzburger Ortsnamenbuch“ von Franz Hörburger (1982) so etwas wie die Bibel der Ortsnamenerklärer. Eine historische Ortsnamenkartei wurde in den 1980er Jahren im Auftrag der „Salzburger Ortsnamenkommission“ – besagter SONK eben – von Peter F. Kramml erstellt. Seither haben Wissenschafter so manche ungedruckte Quellen (Urbarien, Urkunden bis ins 16. Jahrhundert) nach und nach dokumentiert. Schreibweise und Dialektaussprache der Ortsnamen sind natürlich zweierlei. Letzterer haben sich, auch schon vor drei Jahrzehnten, Sprachkundige vom Institut für Germanistik der Universität Salzburg gewidmet.
„Perwang“ war ein Ort in Hanglage („wang“: Wiese, Leite), wo ein Herr Bero lebte. In „Berndorf“ war auch ein Bero daheim. Wenn ein Ort auf „-ing“ endet, dann waren die Bajuwaren siedelnd unterwegs. Die Endung „-dorf“ weist oft auf jüngere Namensgebung hin, aber nicht immer: Nußdorf, Henndorf, Köstendorf und Irrsdorf hießen schon um 800 so.
Bei „-ach“ muss man besonders aufpassen: Das kann vom althochdeutschen „ahi“, kommen und weist etwa auf Baumnamen - Buchach, Erlach, Haslach oder auch Eichet. Es kann aber auch „aha“ (Ache) drin stecken und einen Bach meinen - Fischach, Moosach oder Salzach.
Wir wollen uns hier jetzt nicht verzetteln. Wie ist das jetzt wirklich mit Abtenau? „Appanowa“ war die Siedlung eines Herrn Appo (Genitiv: Appen) in Au-Lage (ouwe). Nach Jahrhunderten hat man das nicht mehr verstanden und man suchte dem Wort „im Nachhinein doch eine Bedeutung abzugewinnen“. Ein Fall für die Volksetymologie. Um 1300 wurde „Appanowa“ in „Abtenau“ verballhornt, der Abt kam zur Au wie die Jungfrau zum Kind. Die Dialekt-Aussprache freilich, so verraten die Autoren des HELSON im Vorwort, bewahre häufig die Lautung des „richtigen“ Ortsnamens. Lautschriftlich schreibt man das „ɔp'maʊ“, und da sei der ursprüngliche Klang fast noch gegeben.
Ein Kuriosum in Sachen Volksetymologie: Henndorf hieß um das Jahr 800 „Hohindorf“, eine höher gelegene Siedlung also. Daraus wurde Henndorf. Und weil dass so sehr nach weiblichem Federvieh klingt, landete die Henne dort nicht in den Suppentopf, sondern im Gemeindewappen.