„Marmorkirchweih“
STICH-WORT
16/10/14 Marmorkirchweih: Dieses Wort dürfte auch vielen Religions-Insidern noch nicht untergekommen sein. Es hat zu tun mit der Altkatholische Kirchengemeinde und damit, dass diese ihr Domizil mit dem Bürgermeister der Stadt teilt…
Mit „alt“ im Sinn von fundamentalistisch hat die Altkatholische Kirche nichts zu tun, ganz im Gegenteil: Es gibt sie, weil Christen sich mit der Vorherrschaft Roms und der 1870 verkündeten Unfehlbarkeit des Papstes nicht abfinden wollten. Die ursprüngliche Bezeichunung „Alte Kirche“ für die Altkatholiken meint eben keine Hegemonie des Papstes, sondern ein Zurückschauen auf die Urkirche.
Ab 1872/73 kam es zur Gründung eigener Gemeinden und Ortskirchen, und mit üblicher Verspätung in solchen Dingen war es 1922 sogar in Salzburg so weit. In den ersten beiden Jahren gab es noch keine fixe Gottesdienststätte, man feierte unter freiem Himmel oder in der Evangelischen Christuskirche.
Im Jahr 1924 wurde den Altkatholiken von der Stadtgemeinde der Marmorsaal überlassen, der in der Folge zu einer Kirche umgestaltet wurde. Mit den Reichsehegesetzen und den beginnenden standesamtlichen Trauungen 1938 wurde ihnen der Marmorsaal wieder genommen, dafür jedoch die Schlosskapelle zur Verfügung gestellt.
Diese Schlosskapelle, in gegenwärtiger Form vom österreichischen Barockbaumeister Lukas von Hildebrand entworfen, hat beim Stadtbrand 1818 leider das Deckenfresko von Bartolomeo Altomonte eingebüßt. Aber Marmor (beziehungsweise Marmor-Imitat) gibt es auch dort; es ist eine in ihrer Schlichtheit doch repräsentative, feudal anmutende Kirche.
Zur Erinnerung an den Einzug in den Marmorsaal 1924 feiern die Altkatholiken jedenfalls die „Marmorkirchweih“, die neunzig Jahre zurückliegt. „Wir wollen am kommenden Sonntag (19.10.) einen Festgottesdienst im Marmorsaal feiern, den unser Bischof John Okoro leiten wird“, erklärt der altkatholische Pfarrer Martin Eisenbraun. „Wie vor neunzig Jahren wird im Rahmen dieses Gottesdienstes eine Firmung stattfinden, im Anschluss daran eine Begegnung. Bürgermeister Schaden hat sich als Ehrengast angekündigt.“
Eisenbraun verweist sogar auf eine geistige Nähe zur Sozialdemokratie: „Zwischen 1907 und 1924 haben viele sozialistische Eisenbahner die römisch-katholische Kirche verlassen, weil sie sich von ihr in ihren demokratischen und liberalen Anliegen nicht ernstgenommen fühlten. Sie fanden in der Altkatholischen Kirche mit ihrer demokratischen Struktur eine neue Heimat.“
Die Hausgemeinschaft im Schloss Mirabell, mit einem „roten“ Bürgermeister, ist also gar nicht so daneben. „Die Altkatholische Kirchengemeinde ist eine kleine aber wachsende Gemeinschaft mit vielen jungen Familien und einer stattlichen Kinder- und Jugendarbeit“, so Pfarrer Eisenbraun. Seit einigen Jahren gibt es eine Diakonin (ein Amt, das viele auch in der Katholischen Kirche für Frauen öffnen möchten). Die Gemeinde ist in der Salzburger Ökumene stark engagiert und arbeitet sozial bei der Aktion „Vinzibus“ mit. (dpk-krie)