Dreiviertel-Marathon
STICH-WORT
08/09/14 Die Sache ist natürlich nur theoretisch, denn auch in einer mit Events nur so gespickten Zeit käme niemand auf die Idee, Läufer die Regale eines historischen Archivs entlang zu hetzen. Aber als Gedankenspiel: Die Qualifikation zum Halb-Marathonläufer reichte nicht aus für einen Lauf durchs Salzburger Landesarchivs.
Der Halbmarathon geht nämlich exakt über 21,0975 Kilometer. Die belegten Regale im Salzburger Landesarchiv sind aber 30 Kilometer lang. Da müsste man also noch gut neun Kilometer zulegen.
Wer schon beim Gedanken daran außer Atem kommt: Nun ist eh wieder Sitzen im Archiv angesagt: Wie es aussieht, wird der Benutzersaal des Salzburger Landesarchivs ab 10. September wieder zur Verfügung stehen. Die im Juni dieses Jahres begonnenen Umbauarbeiten sind nämlich so gut wie abgeschlossen. Es wurde unter anderem ein neuer Aufzug eingebaut, der jetzt bis in den fünften Stock des Gebäudes hinauf fährt. „Nunmehr sind alle Speicher des Landesarchivs per Lift erreichbar, was den Transport der Archivalien wesentlich erleichtert, so der Leiter des Landesarchivs, Oskar Dohle. Also erst recht kein Grund, außer Atem zu kommen. „Der neue Aufzug gewährleistet außerdem auch den barrierefreien Zugang zum Benutzersaal“, sagt Dohle.
Im Salzburger Landesarchiv sind 30 Laufkilometer Archivalien aus den vergangenen mehr als 1.000 Jahren, beginnend ab dem Mittelalter, gelagert. Neben historischen Überlieferungen finden sich im Archiv auch alle rechtsrelevanten Verwaltungsschriften der Landes- und Bezirksverwaltungsbehörden sowie der Gerichte. Damit sei das Salzburger Landesarchiv als „Gedächtnis des Landes“ und als „Garant für die Rechtssicherheit“ zu bezeichnen, erklärt Oskar Dohle.
Darum haben auch nicht nur einschlägig historisch Interessierte die Zeit der Schließung des Lesesaals als Einschränkung empfunden. Das Archiv war während der Umbauphase nur in einem „Notbetrieb“ für die Einsicht in die grundbücherliche Urkundensammlung bzw. in Ausnahmefällen in das handgeschriebene Grundbuch zugänglich.
Das Salzburger Landesarchiv als Nachfolger des alten Urkundenarchivs der Salzburger Erzbischöfe kann auf eine über 1200 jährige Geschichte zurückblicken. Seit dem Mittelalter war das zum erzbischöflichen Schatz zählende Urkundenarchiv in der Residenz beheimatet. Unter Erzbischof Max Gandolph (1668-1687) übersiedelte es ins (Residenz-Neugebäude), wo es - von kurzen Unterbrechungen abgesehen - bis zum Ende des Kurfürstentums (1805) blieb.
Durch die Wechselfälle während der napoleonischen Kriege kamen die ältesten Archivbestände (u.a. über 15.000 Urkunden seit der Karolingerzeit) bereits im Jahr 1805, als Salzburg erstmals österreichisch wurde, nach Wien, wo sie sich auch heute noch befinden. Salzburg betrachtet den Verbleib seiner Archivalien in Wien nach wie vor als ungelöstes Problem. Gegen Ende der bayerischen Herrschaft (1810/16) wurden alle Archivalien, die sich auf die ehemals salzburgischen Gebiete im heutigen Rupertiwinkel bezogen, nach München verbracht.
Die Zusammenfassung aller in Salzburg verbliebenen Archivbestände gelang nach der endgültigen Angliederung Salzburgs an Österreich erst im Jahr 1827 durch die Gründung der Zentralregistratur. Das moderne Salzburger Landesarchiv betrachtet die Einrichtung einer dauernden Archivarsstelle im Jahr 1875 als sein eigentliches Gründungsdatum.
Die Zentralregistratur als Sammelstelle für alle Archivbestände war bis zum Herbst 1941 im Neugebäude der Residenz. Der damals zum „Reichsgauarchiv“ mutierten Sammlung wurden Räumlichkeiten im konfiszierten Kloster St. Peter zugewiesen, wo das Salzburger Landesarchiv auch noch nach der Rückgabe des Gebäudes an den Benediktinerorden (1945) eingemietet blieb. 1970 wurde das heutige Gebäude am oberen Ende der Michael Pacher Straße bezogen. Es gibt außerdem Regionalarchive für den Pinzgau in Zell am See und für den Pongau in Werfen. (LK / dpk-krie)