Knackärsche
STICH-WORT
06/02/14 „Wenn ich Werbung mit nackten Menschen sehe, werde ich eher misstrauisch und frage mich: Ist das Produkt nicht gut genug, um für sich selbst zu stehen?“ So ticken Alexandra Schmidt, Frauenbeauftragte der Stadt Salzburg, und ihre Mitkämpferinnen, die sich 2011 zur Salzburger Watchgroup gegen sexistische Werbung zusammengeschlossen haben.
Von Reinhard Kriechbaum
Die echte Zielgruppe, an die sich solche Werbung richtet, denkt ganz offensichtlich anders. Sonst gäbe es ja solche Werbung nicht. Vor Barbara Sieberth und Niki Solarz (beide Landtagsabgeordnete), Teresa Lugstein (Mädchenbeauftragte der Stadt), Katharina Schmid (ÖH Frauenreferat) und ihren Mitstreiterinnen liegt also eine gehörige Wegstrecke an Bewusstseinsbildung.
Die Aktion „Männer posieren!“ ist ein verdienstvoller Schritt in diese Richtung. Drei freecard-Motive wurden gedruckt, mit männlichen Beaus. Sie nehmen Posen ein, die man sonst gerne Frauen zumutet. Das Motiv mit der „Neuen Werbefläche“ gab es fast eins zu eins auch in Wirklichkeit. Die Watchgroup hat vehement protestiert.
„Kommt Ihnen etwas seltsam vor?“ steht auf den Karten. Die Karten liegen in den kommenden beiden Wochen in den freecards-Ständern vorwiegend in Lokalen zur freien Entnahme bereit. Auch im Frauenbüro der Stadt Salzburg kann man sie kriegen.
In einem Pressegespräch haben die Sprecherinnen der Watchgroup vieles kundgetan in Sachen sexistischer Werbung, was uns zu denken gaben sollte. Was uns da auf Werbeflächen eingebläut wird, spiegelt ja nicht nur das Menschenbild unserer Zeit, sondern prägt es auch. Es entstünden „vollkommen lebensfremde und illusorische Vorstellungen von Sexualität und Erotik“, sagt Katharina Schmid vom ÖH-Frauenreferat.
Teresa Lugstein von make it erklärt: „Wöchentlich sind wir über Fernsehen, Zeitschriften und Werbung zwischen 2000 und 5000 Bildern von Körpern ausgesetzt ist, die durch digitale Bearbeitung beschönigt und idealisiert werden.“ Besonders Frauen, aber zunehmend auch Männer gerieten unter Druck des medialen Schönheitsideals. Jugendliche in der Orientierungsphase seien besonders anfällig. In Europa hat ein Viertel der 7- bis 10-jährigen Mädchen bereits Erfahrung mit Diäten. „Die Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen und Körper kann der Nährboden für gestörtes Essverhalten bis hin zu manifesten Essstörungen sein. Essstörungen zählen nach wie vor zu den typisch weiblichen psychischen Krankheitsbildern: 90 Prozent der Erkrankten sind Mädchen und Frauen, wenn auch die Zahlen der männlichen Kranken im Ansteigen begriffen sind“, so Watchgroup-Mitglied Niki Solarz.
Rapide steigt die Zahl der Mädchen unter 18 Jahren, die bereits über OPs wie Brustvergrößerung nachdenken. 40.000 Schönheitsoperationen werden pro Jahr in Österreich durchgeführt (davon 90 Prozent an Frauen). 8 Prozent der Österrreicherinnen haben bereits einen Schönheitseingriff hinter sich, 25 Prozent können sich einen Eingriff für sich vorstellen. Man hat es also mit einem breiten kulturellen Phänomen zu tun.
„Wie absurd die sexistische Darstellung von Menschen wirklich ist, wurde mir beim Fotoshooting erst richtig bewusst“, erzählt Alexandra Schmidt, Frauenbeauftragte der Stadt Salzburg und Koordinatorin der Aktion. „Die männlichen Models haben sich sehr viel Mühe gegeben und toll auf das Posing eingelassen – aber es war komplett verrückt: 'Ein bisschen lasziver, die Lippen bitte etwas öffnen, den Rücken noch mehr biegen', so lauteten die Anweisungen, die ich und die Fotografin weitergeben mussten, um ein ähnliches Ergebnis wie in vielen vergleichbaren Inseraten mit Frauen zu erzielen.“
Via Fernsehen werden westliche Schönheitsideale auch anderswo verbreitet. „In Fidschi entwickelten binnen drei Jahren nach Einführung des Fernsehens im Jahr 1995 fast zwölf Prozent der jungen Mädchen Bulimie. Sie wollten abnehmen, um den eigenen Körper denen der westlichen Fernsehdarstellerinnen anzugleichen“, weiß man bei der Watchgroup. Mehr und mehr Frauen aus dem asiatischen Raum ließen ihre Augen operieren, um westliche Lider zu bekommen. Und um dem Ideal „Schöne weiße Haut“ nahe zu kommen nähmen viele Frauen nicht ungefährliche Hautbleichungen in Kauf.
Aus Russland kommt der Trend zu extremen Eingriffen: Um möglichst lange Beine zu bekommen, lassen sich vorwiegend junge Frauen etwa die Unterschenkelknochen brechen und dann in langwierigen Prozeduren verlängern. „Normalität sieht anders aus: Um eine kritische Auseinandersetzung über die Schönheitsideale und Verhaltensmuster, wie sie in Medien dargeboten werden, anzuregen, braucht es die Möglichkeit zur Reflexion über eigene und inszenierte Körperbilder“, sagt Watchgroup-Initiatorin und Landtagsabgeordnete Barbara Sieberth.
Nun also die freecards, die uns zeigen sollen, wie fahrlässig die Werbefritzen umgehen mit Rollen- und Geschlechtsbildern. Nachdenklichkeit ist angesagt angesichts der sich spärlich bekleidet räkelnden Knackärsche mit den behaarten Beinen, auch bei uns Männern. Vielleicht sollte man wieder regelmäßiger ins Fitnessstudio gehen?