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Kulturverliebte

STICH-WORT

02/11/20 Was für ein Wort, es geht bei uns runter wie Öl: Kulturverliebte. Diese Kulturverliebten, so Bundeskanzler Sebastian Kurz heute Montag (2.11.) im Ö1-Morgenjournal, „kritisieren die Schließung der Kulturstätten“, ähnlich wie „sportliche Menschen“ mit der Schließung von Sportstätten hadern.

Von Reinhard Kriechbaum

Das alles, so der Bundeskanzler mit tief humanistischem Verständnis, sei nur zu verständlich. Schließlich könne „jede einzelne Maßnahme für sich diskutiert werden“. Aber irgendwo müsse man eben anfangen mit dem Zusperren.

Es trifft also (auch) uns Kulturverliebte. Dass wir mitgefangen und daher mitgehangen werden, ist uns ohnedies klar. Vielleicht hilft uns ja die Zwangspause, um bis Ende November mit unseren Gefühlswerten einigermaßen klar zu kommen. Verliebtheit ist erfahrungsgemäß etwas, was sich mit der Zeit legt, und sogar Liebeskummer vergeht allmählich. Spekuliert unser Bundeskanzler klammheimlich damit, dass die Kulturverliebtheit verfliegt und man mit uns dann wieder einigermaßen vernünftig reden kann? Über die Wichtigkeit von Gastronomie, Wintertourismus und andere essentielle Dinge zum Beispiel.

Aber wir geben schon zu: Kulturverliebte zu sein, diese Etikettierung gefällt uns vorderhand noch recht gut. Es ist schon eine geraume Weile her, da hat eine demontierte Innenministerin von ihrer Partei die ehrenvolle Rolle einer Kultursprecherin verpasst bekommen. Sie sagte damals, künftig werde sie nur noch „Wohlfühltermine“ wahrnehmen. Das passt perfekt ins Stimmungsbild vom geistigen Wellnessklima für uns Kulturverliebte auf Wolke sieben. Blöd nur, dass die Wellnesstempel jetzt samt und sonders schließen müssen. Die Dame war übrigens eine Parteikollegin von Sebastian Kurz. Sie galt, wiewohl blond, damals politisch noch als unansehnlich schwarz und nicht positiv-türkis gestimmt.

Ach ja, noch etwas Nettes aus dem heutigen Ö1-Morgenjournal. Man hat ein paar Oberösterreicherinnen befragt, wie sie den Lockdown empfinden. Engländer würden sagen: Sie alle sind not amused. Der Moderator zum Bundeskanzler: „Begeisterung herrscht eher nicht.“ Die Sportstätten sind zwar zu, doch diese Steilvorlage ließ Sebastian Kurz sich nicht entgehen: „Wie soll denn da Begeisterung herrschen?“ Österreich sei ein freies Land, und ein jeder und eine jede genieße diese Freiheit. „Wenn Begeisterung herrschen würde, dann würde ich am Verstand der Österreicherinnen und Österreicher zweifeln.“

Wir dürfen uns glücklich schätzen. Er nimmt uns ernst, unser verehrter Herr Bundeskanzler. Er ist ein Österreicherinnen- und Österreicher-Versteher. Sogar für die Seelen von uns Kulturverliebten findet er trostreiche Worte.

 

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