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Santa Precaria

STICH-WORT

28/02/20 Wir erzählen heute von einer katholischen Tagesheiligen, die eine Geschlechtsumwandlung hinter sich hat. Das ist durchaus ein Alleinstellungsmerkmal in diesem Geschäftsfeld. Und es ist nicht das einzige.

Von Reinhard Kriechbaum

Santa Precaria also, die Beschützerin aller geringfügig Beschäftigten. Ihr Gedenktag fällt auf den Schalttag, den 29. Februar. „Santa Precaria ist also eine echte Teilzeitheilige“, erklärt Angelika Fuchs, Betriebsseelsorgerin in der Erzdiözese Salzburg. Als Heilige mit 25 Prozent-Verpflichtung (der 29. Februar taucht ja nur alle vier Jahre im Kalender auf) trifft sie es wahrscheinlich schlechter als viele andere in minderbezahlten Arbeitsverhältnissen. Wie es eben im Wort prekär steckt, das aus dem Lateinischen übers Französische zu uns gekommen ist. Es bedeutet „unsicher, durch Bitten erlangt, widerruflich, schwierig“.

Im Jahr 2001 haben sich italienischen Aktivistinnen und Aktivisten den imaginären Heiligen San Precario als Schutzpatron für alle von Prekarisierung Betroffenen ausgedacht. Als Mann hat San Precario sogar eine Facebookseite. Die ist mit 2.656 Likes vielleicht nicht gerade der Renner in diesem Medium, aber auch die meisten anderen Heiligen haben klein angefangen. Die meisten sogar als unbedankte Einzelkämpfer.

Warum aber plötzlich Santa Precaria? Mit prekären Arbeitsverhältnissen seien in Österreich rund 300.000 Personen konfrontiert. Laut dem Arbeitsklima-Index der Arbeiterkammer leben sieben Prozent der Beschäftigten in Armut. „Da diese in Österreich besonders Frauen sind, soll bei uns Santa Precaria unsere fiktive Schutzheilige sein“, so die Betriebsseelsorgerin Angelika Fuchs.

Als prekäre Beschäftigungen gelten alle Arbeitsformen, die von der klassischen Beschäftigung, also unbefristete Vollzeit, abweichen. „Wir sprechen also von Teilzeit, Leiharbeit, freien Dienstverträgen oder den ,neuen Selbständigen‘. In der Praxis zieht sich das durch viele Branchen, unabhängig von Ausbildungsniveau und Berufserfahrung“, sagt Angelika Fuchs. „Das fängt beim LKW-Fahrer und Paketzusteller an, geht über die Reinigungskraft bis zur Akademikerin, die nur zeitlich begrenzte Forschungsaufträge bekommt.“

In der Erzdiözese Salzburg ruft man heuer zum ersten Mal zu einem Aktionstag für Santa Precaria. Damit ist man nicht vorne dran, denn beim Googeln finden sich schon 2012 Initiativen unter dem Namen der damals schon geschlechtsverwandelten Heiligen: Da gab es zum Beispiel in Wien eine „Prozession“, zu der aber nicht die Kirche, sondern ÖGB und Arbeiterkammer luden. An der Problemlage hat sich seitdem nicht wirklich etwas geändert, eher ist's schlechter geworden. Kennzeichen prekärer Arbeitsverhältnisse sind: Flexibilisierung auf Kosten der Freizeit, ein niedriges, nicht kontinuierliches Einkommen und unkalkulierbare Dauer der Arbeitsverhältnisse sowie ungenügender sozialer Schutz und mangelnde betriebliche Einbindung und Mitbestimmung.

Aus einem Stoßgebet an die Teilzeit-Heilige (wir zitieren aus dem Folder zum Aktionstag): Oh Santa Precaria, / die du uns vor der Tiefe des sozialen Absturzes schützst, / bete für die ProjektarbeiterInnen und kreativ Schaffenden, / für die armen Seelen mit befristeten Verträgen, / für die Gequälten von den Gottheiten des freien Marktes / und der Flexibilität.
Erster Aktionstag für die fiktive Schutzheilige in Salzburg, ausgerichtet von der Betriebsseelsorge der Erzdiözese Salzburg: morgen Samstag (29.2.) von 11 bis 15 Uhr im Einkaufszentrum „Forum 1“ beim Bahnhof – www.kirchen.net; @prekaer 
Bilder: Erzdiözese Salzburg

 

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