"alles"
STICH-WORT
Von Christina Repolust
18/05/10 Ich wollte alles, schließlich schien die Sonne. Damals war ich vier und vermeinte, alle Kirschen essen zu können und hernach auch noch den ganzen Wasserkrug leeren zu müssen. Stopp! Das riefen alle Erwachsenen, denn Steinobst und Wasser würden den Tod bringen. Super, denn wollte ich – wie damals alles – auch gerne einmal kennen lernen. Das ist nicht gelungen, denn der Wasserkrug wurde aus meiner Reichweite gerückt, alles umsonst mit der Neugierde.
Wenn ich heute „alles“ in einen Satz einbaue, relativiere ich diesen Anspruch im vorhergehenden wie im nachfolgenden Satz. Nie habe ich alles gelernt und alles erledigt, denn schon ist ein neues Mail angekommen und eine Fliege hat auf das Fenster geschissen. Alles, was ich will, auch das sage ich schon lange nicht mehr. Eigentlich alles ganz schade, denn alles ist ein schönes, rundes Wort.
Niemandem muss ich mehr alles verzeihen, auch ich kann ja auch nicht alles vergessen und schon gar nicht vergeben. Alle Schuhe brauche ich ebenso wenig wie ich alle Blumen hier im Zimmer in Vasen stellen möchte. Alle Männer - nein, das wäre wohl ein wenig viel für jetzt und für später auch.
„Alles“ klingt zufrieden und rund. Heute bestelle ich im Cafe auf die Frage des Kellners, des schnellen übrigens, „alles“. Dann mache ich doch bei seiner zweiten Rückfrage einen ebensolchen -zieher: Einen Espresso! Aber nun doch noch: „Einen Espresso. Das ist alles!“
Mit meinem „alles“ und dem Espresso sitze ich in der Sonne und denke über alles einmal in aller Ruhe nach. Wenn es Kirschen am Markt gibt, werde ich die Steinobst-Theorie überprüfen, wahrscheinlich wieder einmal alles gelogen oder auch alles zu spät. Ich kann einfach nicht alles auf später verschieben, „Alles zusammen bitte, Herr Ober“ lächle ich Einsitzerin mit meinem einen Espresso den Kellner an. Alles ganz schön verrückt!