Godot und Moskau liegen auf dem gleichen Breitengrad
FESTSPIELE 2025 / OPER
03/12/24 Tausend Tage Krieg in der Ukraine. Katastrophale Situation im Nahen Osten. Atomkriegs-Drohungen. „Ein Gemenge, das nicht zur Beruhigung Anlass gibt.“ Was sollen Festspiele in einer solchen Situation? „Nicht ganz leicht zu sagen. Aber wenn es etwas gibt im Sinne eines Zusammenhaltes, dann ist es doch die große Kunst.“ Markus Hinterhäuser und Florian Wiegand präsentierten heute Dienstag (3.12.) das Programm der Festspiele 2025.
Von Heidemarie Klabacher
„Endzeitliche Gedanken haben die Welt erobert. Aber die Apokalypse in der Bibel ist auch eine Offenbarung: Auf die Apokalypse folgt ein neuer Himmel, eine neue Erde.“ Diese Bewegung zwischen Krise und Utopie habe es in der Geschichte der Menschheit immer wieder gegeben: „Aus Krise kann etwas Neues entstehen.“
„Macht“ ist Thema der Opern im Festspielsommer 2025. Oder genauer gesagt das Ende der Macht, denn diesem nähern sich die Protagonisten von Macbeth (Verdi), Maria Stuarda (Donizetti) und Giulio Cesare (Händel). Endzeit also in den Machtzentren Schottland, England und im alten Rom. „Alle Figuren dieser Opern stehen in einer Situation des Endspiels“, fasst Hinterhäuser die Linie im Opernprogramm zusammen: „Macbeth schaut direkt in sein Ende. Maria Stuarda inszeniert ihr Ende.“ Endzeitstimmung auch in Russland: „Sehnsüchtig und fiebrig erwarten die Drei Schwestern ihr Ende“ - in Peter Eötvös' Oper nach dem Schauspiel von Tschechow. Einen tröstlichen Aufbruch „in die Welt des Lichtes“ bringe dagegen ein ebenfalls szenischer Abend mit Arnold Schönbergs Erwartung und Gustav Mahlers Abschied (der Schlussnummer aus dem Lied von der Erde).
„Cesar wird ermordet mit 24 Messerstichen. Cleopatra begeht Selbstmord, um der Schande zu entgehen, durch die Stadt geführt zu werden. Die Gundsituation der Oper ist ein Kampfplatz jeder gegen jeden.“ Die Handlung von Georg Friedrichs Händels Giulio Cesare in Egitto könne man nicht linear erzählen, sagt Markus Hinterhäuser. Die Botschaft liege in den Charakteren, niemand könne die Kämpfe gewinnen. Die Vergeblichkeit sei den Protagonisten eingeschrieben. Das Machtspiel komme einzig in der Begegnung von Ceasar und Cleopatra zum Stillstand. Und diese Liebe sei nicht zwingend. „Die ist mehr wie ein Unfall.“
Mit Giulio Cesare in Egitto gibt Dmitri Tcherniakov sein Regie-Debüt in Salzburg. Die musikalische Leitung hat Emmanuelle Haïm, auch für sie ein Festspiel-Debüt. Sie dirigiert Le Concert d’Astrée und den Bachchor Salzburg. Christophe Dumaux singt die Titelrolle, Olga Kulchynska übernimmt die Rolle der Kleopatra. Ausgerechnet Händel zum Auftakt? „Es gab schon mal Theodora, zur Eröffnung“, erinnert Hinterhäuser. „Es gibt keinen Grund, die Festspiele nicht mit Barock zu eröffnen, es ist eine Barockstadt.“
Maria Stuarda von Gaetano Donzietti erzählt die Geschichte zweier Königinnen auf einer Insel, erzählt vom Kampf um die Macht und die Mechanismen, „die da in Gang gesetzt werden“. Maria Stuart versuche „wie ein Virus in das Machtgefilde der anderen einzudringen“. Eine der Königinnen muss sterben. „Donizetti verdichtet die Geschichte auf die letzten 24 Stunden vor der Hinrichtung. Alles wird wie durch ein Brennglas. Es endet mit der Inszenierung des Todes von Maria als Martyrerin. Lisette Oropesa singt die Titelpartie, Kate Lindsey die Rolle der Elisabetta. Antonello Manacorda dirigiert die Wiener Philharmoniker. Für Regie und Bühne zeichnet Ulrich Rasche, der für die Festspiele Die Perser und Nathan der Weise inszeniert hat. Nun also seine erste Oper hier.
Verdis Macbeth kommt als Wiederaufnahme der Inszenierung von Krzysztof Warlikowski vor zwei Jahren. Vladislav Sulimsky und Asmik Grigorian verkörpern das in Leidenschaft, Wahnsinn und Bluttaten vereinte Herrscherpaar. Das Werk sei ihm wichtig, so Hinterhäuser, „weil keine andere Oper tiefere Einblicke in die Grausamkeit der Macht" gestatte. Es dirigiert Philippe Jordan.
Wiederaufgenommen von den Pfingstfestspielen wird das Vivaldi-Pasticcio Hotel Metamorphosis auf Motive von Ovid (Regie Barrie Kosky, am Pult Gianluca Capuano). Es singen Cecilia Bartoli, Lea Desandre, Varduhi Abrahamyan und Philippe Jaroussky.
„Es gibt den Moment, wo das Leben selber die Macht übernimmt.“ Die Oper Drei Schwestern von Peter Eötvös entfalte eine „Geografie des Lebensüberdrusses“. In der Geschichte, basierend auf Tschechow, „passiert nichts und doch alles“. Die Protagonistinnen und Protagonisten sind erschöpft vom Leben und reden nur über diese Erschöpfung. Dabei rede jeder nur für sich selbst. Nicht ganz klar, was Hinterhäuser meint, aber für ihn sei es „ein stilles Intervall aus verlorener Hoffnung“. Sie wissen, dass das Leben vorbei ist und müssen trotzdem weiterleben. „Godot und Moskau liegen auf dem gleichen Breitengrad.“ Maxime Pascal, „der uns Die griechische Passion geschenkt hat“ leitet ein zu bildendes Orchester des Klangforums Wien. Als Regisseur debütiert Evgeny Titov .
„Das Leben übernimmt Macht über die Menschen auch in Schönbergs Erwartung und Mahlers Abschied.“ Erwartung sei das Fieberprotokoll einer zerstörten Frau. Dem nur dreißig Minuten langen Werk „von seltener Intensität“ hebe Mahlers Abschied die „Erwartung“ als Hoffnung auf eine andere Ebene. Der Abschied ist tranzendenter Höhepunkt des Werks Mahlers „und Abschied von allem“. Dabei sei, so Hinterhäuser, das siebenmalige „ewig“ Symbol für den Neubeginn. Peter Sellars wird diesen Abend unter dem Titel One morning tuns into an eternity inszenieren, die musikalische Leitung hat Esa-Pekka Salonen. Die beiden Frauenrollen gestalten Ausrine Stundyte und Wiebke Lehmkuhl.
Üppig ist im nächsten Jahr das Angebot an semiszenischen und konzertanten Opern. Zwei Mal Mozart-Jugendopern mit angedeuteter Szene. In Zaide oder der Weg des Lichts widmen sich Raphaël Pichon und das von ihm gegründete Ensemble Pygmalion dem Singspiel Zaide und der Kantate Davide penitente (der die c-Moll-Messe zugrunde liegt) sowie an Kompositionen, die zu einer Zeit entstanden, als sich Mozarts Leben grundlegend änderte und er sich aus den Umklammerungen der Familie und des Fürsterzbischofs befreite. Adam Fischer und das Mozarteumorchester sind für Mitridate engagiert. Pene Pati singt die Titelpartie.
Weiters konzertant: Kassandra, ein Monodram für Sprecherin, Instrumentalensemble und Elektronik von dem Schweizer Michael Jarrell auf die Erzählung von Christa Wolf, Macbeth von Salvatore Sciarrino, und schließlich Andrea Chenier von Umberto Giordano. Piotr Beczala singt die Titelpartie in diesem Stück, in dem nochmal das Thema Macht durchdekliniert wird: Die Revolution frisst ihre Kinder.