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Demokratie ist echt schwierig

FESTSPIELE / HINTERGRUND / ORESTIE

02/08/24 Bewusst als „einen der großen intellektuellen Regisseure des deutschsprachigen Theaters“ hat Schauspielchefin Marina Davydova den Regisseur Nicolas Stemann für die diesjährige Neuinszenierung der Orestie ausgewählt. „Gerade in der heutigen, sich schnelllebig verändernden Zeit ist es wichtig, dass Künstler in der Lage sind, die komplexe Weltordnung neu zu durchdenken.“

„Wir spielen den Orestie-Komplex nicht in der bekannten klassischen Trilogie-Form von Aischylos als älteste überlieferte Dramen-Trilogie überhaupt, sondern als Zusammenstellung von vier verschiedenen Stücken der drei klassischen griechischen Autoren Aischylos, Sophokles und Euripides, die alle Stücke zu dieser Thematik geschrieben haben.“ Daraus sei, so Nicolas Stemann, eine Tetralogie nach dem klassischen Vorbild der aus drei Tragödien und einem Satyrspiel bestehenden Dionysien entstanden. „Das erste Stück ist der Agamemnon von Aischlyos, das zweite die Elektra von Sophokles, das dritte die Eumeniden wiederum von Aischylos und das vierte der Orestes von Euripides.“ Die Stücke seien innerhalb von fünfzig Jahren entstanden. Es sei frappierend, wie sich in dieser Zeit die Perspektiven auf die Themen geändert hätten. Es gehe um die Frage von Demokratie und eines friedlichen Zusammenlebens. „Aischylos findet eine Antwort, indem er den Beginn eines von Menschen geschaffenen, die göttlichen Gesetze ablösenden klassischen Rechtsstaats beschreibt. Bei ihm findet die Begnadigung des Orest statt als große Utopie.“ Bei Euripides fünfzig Jahre später sei dies ganz anders: „Die Versammlung stimmt hier gegen eine Begnadigung von Orest und Elektra ab, hier entsteht ein großes desillusionierendes, fast satirisches Ende. Was zu dieser Desillusionierung vom blühenden Beginn bis zum Niedergang der attischen Demokratie geführt hat, das hat uns interessiert.“

„Das erste Stück erzählen wir aus der Chorgemeinschaft heraus, aus der sich die Individuen herausschälen“, sagt die Schauspielerin Patrycia Ziolkowska: „Das spielt dann wiederum in den weitaus psychologischer geschriebenen zweiten Sophokles-Teil hinein.“ Das Kollektiv des ersten Teils beginne am Ende des Agamemnon zu zersplittern, die Vereinzelung der Figuren werde im zweiten Teil zu sehen sein.“ Diese Art zu arbeiten sei ihr und ihrem Kollegen Sebastian Rudolph, schon bekannt: „Mit Nicolas Stemann arbeiten wir schon seit 15 Jahren zusammen.“ Über den medialen Aspekt der Inszenierung und die damit verbundene Darstellung von Gewalt sagt Stemann: „Speziell das erste Stück hat viel mit Krieg zu tun – ein Zustand, den wir auch in unserer Zeit wiederfinden. Die heute verbreitete Haltung des Leugnens und Verdrängens wird durch den scheinbar distanzierten Chor symbolisiert, der aber letztendlich doch involviert ist.“

Die Bildersprache werde im Lauf des Abends mittels an die Wand plakatierter Bilder zunehmend kriegerischer, dabei aber auch nicht ganz greifbar. „Der Glaube an die Wahrheit der Bilder wird – auch durch teilweise eingesetzte KI – bewusst in Frage gestellt.“, so Rudolph. „Das Ganze passiert in einer großen Schnelligkeit auf uns einprasselnder Bilder und sich permanent erneuernder Umstände. Die Gesellschaft des Chors wird beständig verändert“, sagt die Darstellerin Julia Riedler. Der Chor sei die ‘Figur’, die am schwierigsten zu spielen ist. „Die Pluralität von Ereignissen ist komplexer als das Schwelgen in einem Gefühl, in dem Individuen im späteren Verlauf des Stücks verharren.“

Über die von ihm zusätzlich zum Chor kreierte Musik sagt Regisseur Stemann: „Das ist eine kleine, aus Schlagzeug, Gitarre und Keyboard bestehende Band. Die damaligen Tragödien waren keine reinen Sprechstücke, es war viel Musik involviert, die nur mangels Notationssystems nicht übermittelt ist. An dieser Ebene habe ich mich etwas orientiert, um dadurch eine zusätzliche Energie und eine einladende Form entstehen zu lassen.“ (SFS / dpk-klaba)

Orestie I-IV – Premiere ist am Samstag (3.8.) um 19 Uhr auf der Perner-Insel – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: SFS / Leopold Neumayr

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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