Brahms hoch Drei
FESTSPIELE / KAMMERKONZERT
31/07/24 Was sich zunächst fast wie ein wissenschaftliches Projekt für Bramsophile darstellt, entpuppt sich als Abend mit interessanter Dynamik: Das Kammerkonzert mit Renaud Capuçon, Julia Hagen und Igor Levit und den Klaviertrios von Johannes Brahms im Haus für Mozart.
Von Erhard Petzel
Das Klaviertrio Nr. 1 H-Dur von 1854 wurde in Brahms’ Überarbeitung von 1889/90 gespielt, sodass der Beginn kompositionsgeschichtlich eigentlich ein Schluss wäre. So aber füllt es den ersten Programmteil und führt in den klanglichen Kammerkosmos des Hamburger Wahlwieners ein. Cello und Klavier ergehen sich in vokaler Innigkeit, bis mit hinzukommender Geige der Klang zur Hymne schwillt.
Die Streicher helfen gerne zusammen und werden vom Klavier unterlegt oder gehen mit diesem launige Konversationen ein. Die rhapsodische Bewegung liebt die große Linie und elementare Aufbrüche, um wieder von lyrischer Entzückung zu beginnen und sich erneut emporzuschwingen. Intensiver Austausch motivischer Elemente in der Durchführung wie der sensible Kontrast dazu im schwebenden Schluss verführen nach den kräftigen Akkorden so manchen im Publikum zum Zwischenapplaus, unterstützt von der jovialen Geste Capuçons, der gerne sein Antlitz der Menge zuwendet.
Beim Scherzo wird die spezielle Klangqualität dieses Trios offensichtlich. Die Staccato-Figuren huschen total gespenstig im überirdischen Pianissimo als leichter Äther, bevor sich romantisches Schwelgen einstellt. Die selbstverständliche Duftigkeit sucht ihresgleichen. Leider fühlen sich manche zu husten verpflichtet. Levit setzt nach dem Satz Handzeichen, dass sich jeder dazu Bemüßigte ordentlich aushuste. Aber so, wie sich die Schnecken über den sanften Salat und das weiche Basilikum hermachen, machen sich professionelle Huster über Pianostellen und Pausen her. Die flirrenden Klangflächen des innigen Adagios durchsetzt mit trockenen Rachenspitzen. Welch kleinkarierter Kontrast zum großen Atem der Traum verlorenen Musik.
Danach will man auf der Bühne unmittelbar ins Allegro. Im Saal will wer wieder applaudieren (Capuçon ist diesmal völlig unschuldig). Wer heutzutage musizieren will, braucht ein gutes Maß an Langmut und Festigkeit, um den Zug zum Aufruhr für diese kraftvolle Musik beizubehalten. Nach der Pause bessert sich’s.
Der erste Satz des Trios Nr. 2 C-Dur op. 87 von 1880-1882 spannt aus der Ruhe große rhapsodische Bögen von grandioser Inszenierung und selbstbewusster Liedhaftigkeit. Das folgende Andante con moto atmet mit seiner zunächst einstimmigen Streichermelodie schwermütige Puszta-Elegie zu den gegenrhythmischen Klavierakkorden. Das Klavier setzt auf Gleichberechtigung, worauf sich ein herrlich interaktiver Reigen zwischen den Partnern entwickelt. Der Charakter wechselt, während die Verflechtung der Stimmen eine stimmige Polyphonie feiert. Die Streicher wechseln im Melos ab und lassen das Klavier für sich arbeiten. Das Scherzo bezaubert wieder so wie das im ersten. Trio mit fluffiger Spitze. Nach kontemplativen Auslassungen jagen die Geisterfetzen so präzise wie artikulatorisch delikat durch den Klangraum. Nach einem Gustoschluss attacca in den Finalsatz mit gemeinsamer Bewegungsfreude, die das giocoso des Allegro satztechnisch, agogisch und klanglich auf höchstem Niveau in die innigste Kommunikation der drei Instrumentalparts setzt.
Grandios der ouvertüren-hafte Start in das Klaviertrio Nr. 3 c-Moll op. 101 von 1886. Der schroffe Witz des Allegro energico treibt das Spiel im Sturm voran, die elegischen Unisono der Streicher ordnen sich dem Charakter unter und münden in elegante Wechsel der Bewegungen von dicht verwebten Kaskaden voller Rollenwechsel und interner Charakterbrüche. Federnd leicht das zurückhaltende Presto des zweiten. Satzes, voller Witz die pizzicati, distinguiert im flinken Dahinhuschen wie elegischem Verweilen, ätherisch der Schluss. Liedhafte Eleganz im Andante grazioso, freundschaftlich lieblich das Wechselspiel zwischen Streichern und Klavier, dem der energische Schluss ein rasches Ende setzt. Ähnlich gestrickt das Allegro mit seinem agitatorischen Gestus, der dennoch immer feine Noblesse wahrt. Unvergleichlich, wie Levit sein Instrument perlen lässt. Dazu in vollendeter Harmonie die reiche Erfahrung, mit der Capuçon das klangvolle Spiel auf seiner Guarneri kultiviert, und der jugendliche Elan am kraftvollen Ruggieri-Cello von Julia Hagen. Eine äußerst exquisite Besetzung für äußerst exquisite Musik.
Bilder: SFS / Marco Borrelli