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Trauer, Triumph und Hoffnung

FESTSPIELE / JORDI SAVALL 

27/07/24 Das festliche Barock Frankreichs traf auf Arvo Pärts spirituelle Renaissance der Einfachheit. Es waren dann doch mehr als sechs Minuten, die dem estnischen Klangmystiker galten und es war insgesamt ein stimmungsvoller, sehr zum Nachdenken anregender Abend mit Jordi Savall und seinen Elite-Ensembles, rund um eine der bekanntesten „Te Deum“-Vertonung überhaupt.

Von Gottfried Franz Kasparek

Denn im Zentrum des Programms am Freitag (26.7.) in der Kollegienkirche stand das „Te Deum“, welches Marc-Antoine Charpentier wohl 1692 zur Feier einer siegreichen Schlacht des „Sonnenkönigs“ geschrieben hat. Schon im Vorspiel geht die Sonne strahlend mit Pauken und Trompeten auf – ein Jahrhunderteinfall, der mittlerweile dank der Verwendung als Eurovisions-Hymne zu den populärsten Nummern der so genannten „Klassik“ überhaupt gehört. Nun könnte man lange darüber diskutieren, ob man sich gerade heutzutage an der Glorifizierung eines Blutvergießens im „Pfälzischen Erbfolgekrieg“ erfreuen darf. Aber lobte der Komponist nicht doch vor allem das Göttliche, setzte er nicht genug lyrische Kontraste im Verlauf des Stücks, siegt nicht letzten Endes der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele, im frühchristlichen Text und in der Musik?

Die Religion der Liebe ist stärker als die Religion der Macht, auch wenn manche Kirchen dieser Welt dies leider bis heute nicht befolgen wollen. Und Charpentier war ein fabelhafter Komponist, dessen beeindruckende Einfallsketten Altmeister Jordi Savall mit phänomenalem Stilgefühl und ohne allzu großes Auftrumpfen erklingen ließ. Sein Chor „La Capella Reial de Catalunya“ und sein Orchester „Le Concert des Nations“ sind nach wie vor Garanten für technisch perfekte, historisch wissende, jedoch stets sinnlich erfüllte, prachtvoll klingende, gefühlvolle Gestaltung; so soll Originalklang sein. Da ist keine Spur von Askese. Aus dem guten, aber diesmal nicht ganz einheitlichen solistischen Quintett (eigentlich, mit zwei sehr wackeren Chorsolisten, war es ein Septett) ragte die Sopranistin Elionor Martínez mit leuchtendem Timbre und innigem Ausdruck heraus.

Davor konnte man den nach allen Regeln damaliger harmonnischer Kunst verfassten Bußpsalm „De profundis“ des tüchtigen Charpentier-Zeitgenossen Michel-Richard Delalande so richtig genießen – Musik wie barocker Zierrat, in der kühn abstrahierten Kirche Fischer von Erlachs ein glitzernder Kontrast. Danach zeigte Arvo Pärt mit seinem verknappten „De profundis“ für Männerchor, Schlagzeug und Orgel von 1980, wie man einen hundertfach vertonten liturgischen Text in neue Zeitlosigkeit heben kann. Da der Jubel des Publikums nach etwa siebzig Minuten Musik kein Ende nehmen wollte, gab es noch eine gewichtige, von Jordi Savall (in frei fließendem Deutsch!) selbst vorgestellte Zugabe. Der nicht immer nur an „Alter Musik“ interessierte Musiker hatte es bei Pärt einst bestellt, der hatte es nach dem Attentat in Madrid 2004 geschrieben. „Per pacem“ für Chor und Orchester ist ein zum Himmel schwebendes, verinnerlichtes, trotz aller Trauer hoffnungsvolles Gebet, welches einen ergriffen in die laue Sommernacht entließ.

Bilder: SFS / Marco Borrelli

 

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