Von Dostojewski bis Putin
FESTSPIELE / ERÖFFNUNGSREDNERIN
03/04/24 Die in Moskau geborene und in New York lebende Nina Chruschtschowa wird die Festrede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele 2024 halten. Sie gilt als Expertin der zeitgenössischen russischen Geschichte und Politik und scharfsinnige Analytikerin und Kritikerin von Wladimir Putins Regime.
Als Urenkelin des einstigen sowjetischen KP-Parteichefs Nikita Chruschtschow hat sie auch eine besondere biografische Beziehung zur russischen Politik. Sie beobachtet die Entwicklungen und Veränderungen in der russischen Gesellschaft unter kulturellen Aspekten, denkt über den Einfluss der Literatur auf die Politik nach und kommentiert die komplexen Verhältnisse, die das heutige Russland prägen, in den bedeutendsten Foren.
„Seit Jahrzehnten analysiert Nina Chruschtschowa Putins Gebaren und die widersprüchlichen Reaktionen des Westens darauf – und sie scheut sich auch nicht vor unbequemen Einschätzungen und Szenarien. Als unmittelbar Betroffene hält sie sowohl dem ,schlimmsten Barbar‘ als auch den taumelnden Demokratien einen Spiegel vor“, sagt Intendant Markus Hinterhäuser, „dabei bemüht sich die Putin-Kritikerin zugleich um einen respektvollen Umgang mit der russischen Kultur.“
„Die Kraft von Dostojewskis Verbrechen und Strafe oder Leo Tolstois Krieg und Frieden“ – so Nina Chruschtschowa über den engen Konnex von Kunst und Politik – „liegt sicherlich darin, dass sie Einblicke in die menschliche Natur vermitteln und nicht nur in die der russischen Seele. Auf jeden Fall wird die Weigerung, sich mit der russischen Kultur zu befassen, Putin nicht umstimmen oder ihn zwingen, seine Truppen aus der Ukraine abzuziehen. Aber es wird eine potenzielle Informationsquelle über seine Ziele und Motivationen abschneiden.“ (Project Syndicate)
In ihrer Festspielrede wird Nina Chruschtschowa eine der wichtigsten Prämissen von Fjodor Dostojewski – dass Schönheit die Welt retten wird – aufgreifen und der Frage nachgehen, welche Rolle der Kunst im aktuellen politischen und kulturellen Umfeld, das von Krieg, Krisen, Feindseligkeit und Spaltung geprägt ist, zukommt.
Nina Chruschtschowa ist Professorin für Internationale Beziehungen an der New School University in New York. Sie ist Redakteurin und Mitarbeiterin von Project Syndicate: Association of Newspapers Around the World. Ihre Artikel sind in Foreign Affairs, The New York Times, The Wall Street Journal, The Financial Times und anderen internationalen Publikationen erschienen. Sie ist Autorin mehrerer Bücher, darunter Imagining Nabokov: Russia between Art and Politics (2008) und der von ihr mitverfasste politische Reisebericht In Putin’s Footsteps: Searching for the Soul of an Empire Across Russia’s Eleven Time Zones (2019). Ihr neuestes Buch Nikita Chruschtschow: An Outlier of the System erscheint demnächst auf Russisch.
Kürzlich resümierte Nina Chruschtschowa in einem Beitrag mit dem Titel „Russland wird auf den permanenten Krieg vorbereitet“: „Das Ziel der aktuellen Kreml-Propaganda besteht nicht darin, die Menschen davon zu überzeugen, dass das Leben in Russland sicher und von Wohlstand geprägt ist. Das war vielleicht am Anfang so, aber mit zunehmender Dauer des Ukraine-Kriegs musste sich Putin anpassen. In Anlehnung an Stalins Narrativ, wonach der Fortschritt in Richtung Sozialismus weitere Herausforderungen mit sich bringt, die eine Verschärfung des Klassenkampfes erfordern, setzt Putin nun seine Propaganda ein, um die russische Bevölkerung auf noch mehr Krieg vorzubereiten.“ (Project Syndicate) (PSF)