Ideenbringer und Gedankenbezieher
MUSEUM DER MODERNE MÖNCHSBERG / JOHN CAGE
13/07/12 „Lieber John, Vorsicht. Noch ein giftiger Pilz mehr!“, schrieb Marcel Duchamp als Widmung in sein Schachbuch, das er John Cage (1912-1992) schenkte. Cage als Bildender Künstler? Das Fragezeichen sagt schon viel darüber aus, dass der vor hundert Jahren geborene Amerikaner eben vor allem als Komponist wahrgenommen wird.
Wachen Sinnes – und vor allem mit dem legendären „open mind“ hat John Cage über den Großen Teich nach Europa geschaut und beobachtet, was an neuen bildkünstlerischen Strömungen auftauchte. Was für Zeiten: Genau einen Dollar hat der 22jährige Cage anzahlen müssen für ein Bild von Alexej Jawlensky, das ihn schließlich satte 25 Dollar kostete. 1939 organisierte Cage bereits Ausstellungen von Paul Klee, Wassily Kandinsky und Jawlensky – drei Künstlern der „Blue Four“, die ihm durch die deutschstämmige Kunstvermittlerin Galka Scheyer bekannt geworden waren.
Das Schnäppchen von damals – es trägt den Titel „Meditation“ – befindet sich heute in einer Privatsammlung und ist in der umfangreichen Schau im Museum der Moderne am Mönchsberg tatsächlich zu sehen. Werke von Jawlensky, Klee, László Moholy-Nagy sowie Anni und Josef Albers beleuchten die anregenden Impulse, die Cage durch die klassische Moderne und Künstlerkollegen während seiner Lehrtätigkeit an der „Chicago School of Design“ und am „Black Mountain College“ in North Carolina empfing. Dada, Bauhaus, vor allem aber die „Blauen Vier“ (Paul Klee, Wassily Kandinsky, Alexej Jawlensky und Lyonel Feininger) waren Cage – als Philosoph, Literat und Musiker/Komponist ein Allrounder – wohl bekannt.
So geläufig John Cage auf den Konzertpodien ist: Seine Werke als bildender Künstler und sein Einfluss auf die bildende Kunst in Europa sind weitaus weniger bekannt als seine Musik. Dabei behauptet er durchaus seinen Platz auch in der Geschichte der visuellen Kunst des 20. Jahrhunderts. Die Anregungen gingen von ihm aus, und er ließ sich seinerseits gerne herausfordern.
Diese Wechselwirkung ging über die Fluxus-Bewegung hinaus. Marcel Duchamp, Richard Buckminster Fuller, Morris Graves, Nam June Paik, Robert Rauschenberg, Mark Tobey tauchen als Ideenbringer und Gedankenbezieher auf. Stille und Zufall, die in der Musik Cages eine große Rolle spielen, waren für ihn auch Thema in der bildenden Kunst. Weiße Leinwände ohne Farbe sah Cage als Analogie etwa zu seinem exemplarischen Stück 4’33’’ (in dem man eine Reaktion auf Duchamps’ Bergriff des Ready mades sehen darf). Die von Cage initiierte Performance „Untitled Event“, 1952, ging als Ur-Happening in die Kunstgeschichte ein.
Die Ausstellung im MdM Mönchsberg gliedert sich in drei Teile: In einem Stockwerk sind sowohl Cages selbst gewählte „Vorbilder“, die grafisch reizvoll gestalteten Partituren, die Zeichnungen und Aquarelle wie auch zahlreiche Hommagen - mit Werken von Nam June Paik über Yoko Ono und Joe Jones bis hin zu Henning Lohner – zu sehen. Ein weiterer Bereich ist den Aufzeichnungen von Choreografien seines Partners Merce Cunningham (1919-2009) und dessen Dance Company gewidmet. Cages künstlerische Zusammenarbeit mit dem Tänzer und Choreographen war so intensiv wie die persönliche Beziehung.
Noch einen Stock tiefer sieht man teils raumgreifenden Installationen, die direkt auf das Schaffen von Cage Bezug nehmen oder ihm gewidmet sind, von Bruce Naumans „Mapping the Studio I (Fat Chance John Cage)“, 2001, über Tyler Adams Multi-Screen Projektion „Performing Silence“, 2009, und Christian Marclays „Solo“, 2008, bis zu Christina Kubischs für Salzburg adaptierte Installation „Silent Exercises“ von 2011. (MdM/dpk-krie)