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Du schwarzer Zigeuner!

SCHAUSPIELHAUS / ANGST ESSEN SEELE AUF

11/01/10 Wie wenig sich doch geändert hat in Sachen Vorurteil und Xenophobie: Rainer Werner Fassbinders "Angst essen Seele auf", als Film herausgekommen 1973, ist auch heute - als Bühnenfassung - aktuell wie eh und je. Traurig.

Von Reinhard Kriechbaum

Bald vier Jahrzehnte später: Das Misstrauen, die offene Ablehnung durch die Arbeitskolleginnen, den Wohnungsvermieter, die Nachbarn, ja durch die eigenen Kinder wirken auch jetzt direkt der Realität abgeschaut. Man könnte all die abfälligen Bemerkungen jederzeit irgendwo aufschnappen. Emmi hat etwas getan, was gesellschaftlich geächtet wird: Der Mann, in den sie sich verliebt und den sie schließlich sogar geheiratet hat, ist viel jünger als sie. Und er ist Ausländer, Marokkaner. "Ein Neger?", fragt eine Kollegin entsetzt. "Nicht so richtig, aber ziemlich", sagt eine andere.

Rainer Werner Fassbinder erzählt die Geschichte vom unvermuteten Glück, den heftigen, aber doch überwundenen Anfeindungen und dem Trotzdem-Zerbrechen der Beziehung unprätentiös: Nach aller "wohlbegründeten" Entrüstung finden sich die Leute ja doch ab mit dem Glück von Emmi und Salem (genannt Ali). Aber dann geht er fremd. Mit einer etwas Jüngeren, die ihn mit Couscous einkocht.

Noch schlichter, als Rainer Werner Fassbinder "Angst essen Seele auf" 1973 auf die Leinwand gebracht hat, erzählt Regisseur Peter Arp die so menschliche, lebensnahe Geschichte im Schauspielhaus Salzburg. Zwei Barhocker, zwei Tische, vier Sessel. Das genügt auf der Spielfläche, An drei Seiten sitzt das Publikum, an der vierten die Schauspieler, die in unterschiedlichste Rollen schlüpfen. Es gibt überhaupt keine Requisiten. Ausstatterin Alexia Engl hat bloß ein weißes Gestänge gebaut, das hilft, Türen, Wände zu imaginieren.

Peter Arp setzt also auf konzentrierte schauspielerische Leistung und das Schauspielhaus-Ensemble lohnt ihm das Vertrauen. Daniela Enzi spielt die in die Jahre gekommene einsame Emmi, die sich an Salem klammert wie einen Strohhalm. In leisen Tönen lässt Enzi die menschliche Tragik der Figur aufzüngeln. Timo Senff ist Salem, ein so sympathischer wie eleganter Mann. Einer, der sich gewiss nicht herandrängt an eine "Unsrige". Ihm sind die Barrieren und die Fallstricke einer solchen sozial eigentlich unrealisierbaren Liebschaft bewusst. Ruhig, unaufgeregt ist diese Beziehung, die unter anderen Umständen alle Vorzeichen gelingenden Glücks hätte.

Da hinein platzen nun also Ute Hamm, Constanze Passin, Elke Hartmann, Oliver Hildebrandt, Anthony Connor und Philip Leenders - sie schlüpfen in die Rollen jener, die dem Paar das Glück partout nicht gönnen wollen, ihre Vorurteile ausleben und dann doch (aber nur nolens volens) ein wenig abweichen von der vorgefassten negativen Meinung: "Der sieht aber gut aus ... und ganz sauber ..."

Zum Schlager "Du schwarzer Zigeuner" haben Emmi und Salem das erste Mal getanzt - und das ist nicht die einzige Pointe, die Lächeln, ja Lachen macht in dieser leisen Tragödie mit einem Ende, das vorhersehbar ist und doch irgendwie überraschend kommt. Weil es keine Dinge gibt, die her- oder weggeräumt werden müssten, kann die Geschichte auf der Bühne so schnell und so flexibel wie in Filmszenen ablaufen. Unprätentiös eben, aber intensiv nachwirkend.

Aufführungen bis 18. Februar. www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: Schauspielhaus Salzburg / Eva-Maria Griese

 

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