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Kinder, macht keinen Quatsch!

KAMMERSPIELE / DER KAKTUS

25/04/13 „Der Kaktus“ - eine dornige Komödie ohne heiteren Lösungsansatz – ist das zweite Bühnenwerk der deutschen Schriftstellerin und Juristin Juli Zeh. Premiere war am Mittwoch (24.4.) in den Kammerspielen des Salzburger Landestheaters.

Von Oliwia Blender

084Rechtsstaatlichkeit, Überwachungsapparat, Wahrung der Menschenrechte: Das sind die Themen von Juli Zeh, auch in diesem 2009 in München uraufgeführten Stück. Die höchst aktuelle Satire, inszeniert von Astrid Großgasteiger, nicht nur zufällig in das Spielzeitthema „Das Schweigen brechen“ des Salzburger Landestheaters. Einerseits zeigt die Autorin, welche Auswirkungen das Schweigen auf die nachfolgenden Ereignisse und Entscheidungen haben kann, andererseits weist sie aber auch darauf hin, wozu das gewaltsame Brechen des Schweigens führen kann.

086In einem beamtengrauen Polizeibüro erleben wir beides: das Schweigen des vermeintlichen Terroristen Abu Mehsud aka Frank Miller aka Carnegiea gigantea – und den Versuch der exekutiven Gewalt, dieses zu brechen. Was für ein absurdes Verhörspiel! Cem (Tim Oberließen), ein junger Polizeianwärter, Migrant mit orientalischen Kampfkünsten und englischer Slangsprache, gerät durch Zufall in eine brisante Anti-Terror Aktion. Der übermotivierte GSG 9 Beamte Jochen Dürmann (Marco Dott) wittert in der Verhaftung des mutmaßlichen Al-Kaida-Terroristen seine Chance, als Held und Retter der Republik zu glänzen. Er erfüllt dabei die gesamte Palette an „Action Hero Klischees“ aus allseits bekannten Hollywoodfilmen.

Der Puffer in diesem Testosteron geladenen „Räuber und Gendarm“-Spiel ist Susi (Christiani Wetter). Sie bezeichnet sich selbst als überzeugte Demokratin und Verfechterin aller (Menschen)Rechte. Unterschiedlicher könnten die Gesinnungen der Figuren nicht sein, geschweige denn ihre Motivationen, den Polizeiberuf auszuüben. Aber da ist ja der gemeinsame Feind: Ein Kaktus, die Allegorie für das Fremde und Unverständliche, der nur mit Sicherheitsabstand begutachtet werden darf. Nach anfänglicher Scheu, den schweigenden Gefangenen zum Reden zu motivieren, greifen sie in Gruppendynamik zu drastischen Foltermethoden. 085Schließlich wurden sie dazu von Dr. Schmidt (Gero Nievelstein), dem diktatorischen Oberst vom BKA, motiviert, angeblich zum Wohle der Allgemeinheit. Er selbst sieht sich in der Position des romantischen Helden, selbst aufopfernd für die Nation und für die Demokratie. Manchmal ertönt auch eine Warnung aus dem Off: „Kinder macht keinen Quatsch!“ Wer spricht da, der Kommissar hinter verschlossener Tür? Das Gewissen? Die Moral? Der gesunde Menschenverstand?

Der Text erweist sich als sehr ergiebig, was die parodistische und klischeehafte Darstellung der Figuren (auch zueinander) betrifft. Die Protagonisten (re)agieren  sehr schemenhaft und überzeichnet, deshalb erweckt die körperliche Darstellung und Mimik anfangs einen Eindruck von „Comedy“. Aus Spaß wird jedoch Ernst. So enden schließlich die Legitimierung von Folter und Gewalt sowie der anfangs harmlose Gruppenzwang im Blutrausch. Ein ernüchternder Schluss mit viel Material zum Weiterdenken, aber ohne Lösungsvorschlag, denn „dafür sind wir noch nicht ausgebildet“.

Aufführungen bis  12. Mai in den Kammerspielen des Landestheaters – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Christina Canaval

 

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