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So sind wir … womöglich doch?

LANDESTHEATER / DER WOLF MUSS WEG

10/02/25 Was genau macht uns und unsere Heimat aus? Sind wir, die Indigenen in Salzburg und Österreich, latent gemeingefährlich oder die Lachnummer schlechthin? Der Wolf muss weg von Sarah Henker und Susi Richter als Uraufführung in den Kammerspielen des Salzburger Landestheaters.

Von Reinhard Kriechbaum

Wie praktisch, dass eine der Autorinnen (Susi Richter) im Programmheft gleich „Vorschläge für die Berichterstattung“ unterbreitet. Die wollen wir nicht vorenthalten. „Ein Feuerwerk. Bitterböse und rasend komisch, wie nichts seit Bernhard.“ Naja, klingt schon recht hochstaplerisch. Aber es gibt eine Alternative: „Linkes pseudointellektuelles Wirrwarr. Abgedroschene Nestbeschmutzung finanziert durch Steuergeld. Nur Frechheiten und Klischees.“ Entschieden zu kokett. Mit so schwerem Geschütz  wollen wir nicht auffahren.

Versuchen wir es also doch lieber selbst. Mit dem Wolf, der weg muss oder auch nicht – dem Schafe reißenden Vierbeiner wohlgemerkt, nur am Rande mit dem Zweibeiner, der so böse Interviews macht in der ZiB2 – haben die Deutsche Sarah Henker (die auch Regie führt) und die Salzburgerin Susi Richter so etwas wie einen Running Gag aufgetan. Der Wolf taugt zum Polarisieren, wie so vieles heutzutage. Der Wolf kennt keine Grenzen, weder  beim Reißen von Tieren noch beim Überschreiten derselben. Schon sind wir bei den bösen Migranten und der gefährdeten Leitkultur, die salopp verkürzt zur „Leitkuh“ wird. Ein tumbes, aber liebenswertes Vieh, das uns Muttermilch im Vaterland schenkt und allemal dekorativ und Sympathie heischend auf den heimatlichen Matten herumsteht. 

Vier Leute auf der Bühne, drei „Unsrige“ (Barbara Lanz, Simon Jaritz-Rudle und Adrian Umberto Weinek) und ein „Anderer“, ein Piefke (Matthias Hermann). Sich von ihm ab- und ihn ausgrenzen? Nach dem Silvesterfeiern mit besten Vorsätzen für eine Land-, Heimat- und Geistesvermessung geht es dann doch zu viert durchs Brauch- und Kirchenjahr. Die beiden Autorinnen haben bienenemsig recherchiert und Ungereimtes aus Tagesgeschehen und Politik zusammengetragen und auch Volkes Stimme gehört.

Es ist ein Nummernkabarett draus geworden. Mit einem fast lexikalen Komplettheitsanspruch werden die österreichischen und salzburgischen Realo-Absurditäten faschiert. Es fehlt nichts, überhaupt nichts, nur der demnächst in Niederösterreich amtlich verankerte Nikolaus. Aber mit dem Tempo rechter heimat- und und kulturschützerischer Umtriebigkeit kommt man halt schwer mit im Theater. Auch Benko geht nur ganz am Rande. Sollte während der Aufführungsserie die schwarzblaue Koalition zustande kommen, wird man ein bisserl nachjustieren müssen.

Was für eine Bühnenbetriebsamkeit! Die Autorinnen haben sich bei ihrer Materialsammlerei mitreißen lassen vom Sog der Tagesaktualitäten. Es geht alles mit allem kunterbunt durcheinander, es regieren die lustvolle Assoziation und die überbordende Fabulierlust. Die Inszenierung setzt tempomäßig noch eins drauf. Es wird deftig und respektlos kalauert, trifft immer wieder wirklich mal den Punkt, aber verkommt oft zum Schenkelklopfer. Das Doppelbödige wird mit Übereifer übertölpelt.

Nicht selten wollte man die Notbremse ziehen, denn es blitzen ja Gedanken auf, die es verdienten, vertieft zu werden. Meist werden sie vom Tempo und dem ungehemmten Comoedian-Ton überrollt. Das Fokussieren ist keine Stärke dieses Theaterabends und eine hoch entwickelte Humor-Robustheit wird dem Publikum schon abverlangt. Ein paar Mal bleibt dann doch einer der Darsteller alleine auf der Bühne übrig und kommt ins Sinnieren. In diesen ruhigen Momenten klingt an, dass der argumentativ oft missbrauchte „gesunde Menschenverstand“ und ein ausgewogenes Urteil nicht friktionsfrei zusammengehen.

Es überwiegt die grelle Humoristik. Die freilich bringen die professionellen Schauspieler hier mit punktgenauem Timing und entschieden mehr Schneidigkeit rüber als ihre diesbezüglich mehrheitlich unterbelichteten Kolleginnen und Kollegen im heutzutage zum “Comoedian” degenerierten Kabarett-Fach.

Fast ein bisserl zu gutherzig-naiv das Ende: Da werden die Ängste, wie sie derzeit die Bevölkerung nicht ganz grundlos umtreiben, symbolisch in einer Mülltonne entsorgt. Aus dieser steigt ein Engel empor (wir sind im folkloristischen Jahrlauf nun beim Adventsingen). Er versichert zwar „Fürchte dich nicht“, schlägt aber unversehens in einen bedrohlichen Nazi-Tonfall um. Doch der geflügelte Kerl mit wackeligen Heiligenschein wird zurückgestopft in den Mistkübel. Und schließlich sitzen die vier Heimatsinnsucher ganz artig da und reimen, zur Wandergitarre singend, ausgerechnet „Land“ auf „Verstand“. „Kein Siegen und kein Sterben, für Frieden mutig vor. / Wir wissen, es ist möglich, mit Wille und Humor.“ Da täte man doch glatt an einen Deus ex machina glauben, wie er im Barocktheater nach den schier unmöglichsten Katastrophen für ein gutes Ende gesorgt hat. Wäre die Melodie nicht ausgerechnet der Rainer-Marsch...

Aufführungen bis 15. März in den Kammerspielen des Landestheaters – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: SLT / Christian Krautzberger

 

 

 

 

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