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Lasst dem Helden seine Maske!

LANDESTHEATER / ODYSSEE

29/09/24 Ein Heldenepos? Geht gar nicht, sagt nicht nur der Theater-Zeitgeist, der den Jahrtausenden Erfahrung mit Mythen und ihrer bewährten Zeitlosigkeit alleweil ein Schnippchen schlägt. Also richtet der designierte Schauspiel-Leiter am Landestheater, Nuran David Calis, in der Odyssee sein Augenmerk auch auf die Daheimgebliebenen.

Von Reinhard Kriechbaum

Dort, in Ithaka, geht's politisch offenbar rund, die Lage ist am Kippen. Lichtkegel patroullierender Hubschrauber wandern über den Boden. Penelope (Nikola Jaritz-Rudle), wohl nur mehr pro Forma stellvertretende Regentin, impft ihrem Sohn Telemachos (Aaron Röll) Verhaltensweisen ein, falls er ins Verhör genommen wird. Der trotzige Knabe ist eher nicht der Meinung, dass Wegducken die richtige Antwort ist. Er will selbst Held spielen, kämpfen. Und vor allem will er den Vater – die Blindstelle seines Lebens – ausfindig machen. „Wenn mein Vater ein Held ist, was bin ich denn?“

Das mit dem Vater-Helden ist keine ausgemachte Sache, zumindest aus dessen eigener Sicht: „Was bleibt von mir übrig, wenn die Maske des Helden einmal ab ist“, lässt Nuran David Calis Odysseus sinnieren. „Mir ist diese Maske zur eigenen Haut geworden, von außen aufgelegt.“ Viel Selbstreflexion für einen durchgebeutelten Irrfahrer, der gut zwei Drittel dieser Drangsal-Zeit recht kommod sich hat bezirzen lassen im Bett der Zauberin Kirke (Leyla Bischoff). Derweil erinnert sich Penelope an die Schwangerschaft: „Wie nennen wir's?“ – „Alexa, wenn's ein Mädchen wird.“ Und sie mosert in einer Szene vor sich hin: „Du warst nicht da bei den ersten Zähnen … als er lesen lernte … sich zum ersten Mal verliebte.“

Calis' ergänzende Texte sind, wir verkneifen uns das Wort „einfältig“, sehr gut geerdet. Der Regisseur hat noch eine weitere Reflexionsebene eingezogen. Die Göttinnen hadern mit dem pappbekrönten Zeus (Maximilian Paier), unter dessen Fuchtel es sich nicht recht woke und gender-ausgeglichen leben lässt. Ob man sich als Olympier nicht besser selbst abschafft und die Menschen für sich alleine wurschteln lässt? Athene (Sarah Zaharanski) wäre schwer dafür. Der Göttervater hat zwar „keinen Plan“, aber fühlt sich als „Teil der göttlichen Ordnung“, worauf Athene zuletzt aufmüpfig fragt: „Wessen Ordnung?“ Womit auch die Patriarchats-Kritik abgearbeitet wäre.

Zum Glück gibt es auch viel echten Homer, in der kraftvollen Hexameter-Übersetzung von Johann Heinrich Voß. Das rettet den Abend. In diesen Szenen, in denen altphilologische Schulbildung aufgefrischt oder manchen Jüngeren wohl neu vermittelt wird, geht’s bewegt, an treffsicheren Pointen reich und immer wieder auch ironisch zu. Die Götter mutieren zu Odysseus Mannschaft. Im Wortsinn Schulter an Schulter arbeitet man sich mit Corpsgeist durch die Abenteuergeschichten. Das ist bestens synchronisiert in Sprache und Bewegung, wobei Gegor Schulz in der Rolle des Titelhelden eine wahre Ochsentour an Körpertheater meistert und zugleich den Maßstab im Umgang mit der gebundenen Sprache vorgibt.

Zu komisch, wenn sich Matthias Hermann vom Götterboten Hermes mit schwarzem Cowboyhut zu einem von Odysseus' Mitstreitern wandelt und als solcher zum Ramm-Pfahl mutiert, mit dem die Gruppe dem Kyklopen das Auge aussticht. Solcher Witz, wie aus dem Moment heraus geboren, macht die Würze der Inszenierung aus und spricht für gutes Theaterhandwerk. Er macht alle neuen Zutaten eigentlich im Handumdrehen vergessen. Man muss Nuran David Calis gerechterweise zugute halten: Es ist keine Schande, als Neo-Textschreiber gegenüber Homer abzustinken. Man könnte sich neben kleineren Geistern blamieren.

Sehr ökonomisch das Bühnenbild von Anne Ehrlich, in dessen Mittelpunkt ein riesiges Troyanisches Pferd steht. Memento Mori der Ursache des Ganzen einerseits, andrerseits eine willkommene Buchstaben-Projektionsfläche für die Orte der Handlung. Das steigert die Übersichtlichkeit enorm, da doch die Grenzen zwischen Göttern und Menschen beständig verschwimmen.

Tiefschwarz die Kostüme von Anna Sünkel. Kalypso machte in einem Club beste Figur. Zeus funkelt im Goldhemd, darunter trägt er eine etwas angeberische Sixpack-Brust aus Leder zur Schau. Ein allzu selbstbewusster Freier der Penelope macht sich lächerlich, indem er die Krone mit den Zacken unten aufsetzt. Nette kleine Details. Wenn's ans Erledigen der Freier geht, passiert das zu einem befreienden Sirtaki. Meist liefert Vivan Bhatti an der E-Gitarre dezente, aber hartnäckige Beats.

Das Premierenpublikum war höchst angetan, das Ensemble hat jede Begeisterung verdient, ebenso Nuran David Calis' Regie. Und Homer hat eben seine Stärke gezeigt.

Aufführungen bis 18. Dezember – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Tobias Witzgall (2), Raffael Holzinger (2)

 

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