Königinnen und Omas Kaffeehäferl
KLEINES THEATER / M.E.E.T.
18/04/24 „Gib meiner Rede Kraft und nimm ihr jeden Stachel, der verwunden könnte!“ Diese Bitte lässt Schiller Maria Stuart an Gott richten, als sie ihrer Erzrivalin Elisabeth gegenüber steht. Wie ist das mit den Stacheln zwischen Frauen, die ja angeblich so gekonnte Netzwerkerinnen sind und die Empathie gepachtet haben?
Von Reinhard Kriechbaum
Die rivalisierenden Königinnen sind dafür jedenfalls keine so guten Beispiele. Deshalb geht’s ganz zwanglos, dass die junge Salzburgerin Helena May Heber zwischen Dialogpassagen aus Schillers Maria Stuart und Zweigs biographischem Roman über die schottische Königin heutige Szenen eingebaut hat, in denen scheinbarer Gleichklang zwischen Frauen unversehens umschlägt in Reserviertheit, Verständnislosigkeit, ja sogar Boshaftigkeit und Aggression. Passen womöglich nicht nur Männer und Frauen schlecht zusammen? Die achtzigminütige Produktion M.E.E.T., am Mittwoch (17.4.) uraufgeführt im höchst schütter besuchten Kleinen Theater, lässt das argwöhnen. Die vier Buchstaben stehen für Mary. Elizabeth. Ein. Treffen.
Da bohren sich jedenfalls gleich in der ersten Szene zarte Frauenfinger und -hände durch eine von vier mit Papier verschlossenen Türen. Keine will sich als erste auf die Bühne drängen, jede der anderen vermeintlich den Vortritt lassen. Die leeren Entschuldigungsformeln purzeln nur so und skurrilerweise wird der Satz „Nach ihnen“ der erste sein, den sie wirklich gleichzeitig aussprechen...
Auch – vielleicht gerade – Königinnen müssen ihren Platz behaupten. Aber, so sinniert Helena May Heber, die sich bald eine rote Langhaarperücke aufsetzen und so zu Queen Mary mutieren wird, müssen die anderen diesen ihren Platz auch sehen und (an)erkennen? Wo doch viele ihren eigenen Platz womöglich noch gar nicht ausgemacht haben? Derweilen glaubt die Kollegin Lena Reinhardt, demnächst Königin Elizabeth I., jedenfalls ihre Aufgabe gefunden zu haben, was zu ersten schrägen Blicken der anderen führt.
Es geht dramaturgisch raffiniert hin und her zwischen Dialog-Schnipseln von Schiller, Zweig und den Alltagsszenen. Zwei Gören im Freibad entzweien sich, weil vier neugierige Augen für einen Jüngling (ein Herr aus dem Publikum) definitiv zwei zu viel sind. Dass die eine einen Termin für ein Vorstellungsgespräch bekommen hat, erweckt die Eifersucht der anderen. Zwei ach so gute Freundinnen in der WG geraten ausgerechnet deswegen in Streit, weil eine irrtümlich zum falschen Kaffeehäferl greift. Das gehörte nämlich der Großmutter der anderen und ist dieser heilig. Heutzutage gehört Selbstoptimierung zum Frauenleben, und die gelingt auch der einen weniger gut als der anderen...
Regisseur Ben Retetzki hat Disparates fein zusammengebunden, indem er auf intensive Körpersprache, auch auf tänzerische Einlagen setzt. Raphael Steiner, den Gitarristen, nimmt man gelegentlich als Silhouette in Rückansicht wahr. Sein Musik-Input ist wichtig und stützt Stimmungen und dramaturgische Abläufe. Kein Ton zuviel. Der Abend lebt von gekonntem Theaterhandwerk, für das auch die beiden jungen Frauen auf der Bühne einstehen. Sprachlich muss man Schillers und das alltäglich Heutige auch erst so selbstverständlich verknüpfen.
Wenn der Disput königlich wird, kommt die rote Perücke zum Einsatz und Lena Reinhardt, von der Statur her der eher angriffigen Rivalin überlegen, nimmt statuarische Haltung ein: Da stehen Wendigkeit gehen Beharrung, Aspekte, die sich aus Schiller (und noch viel mehr aus Zweig) herauslesen lassen. Aber die Aufführung ist keine literarische Nachhilfestunde, darum geht’s nicht.
Bevor Helena May Heber zum Theater gekommen ist, hat sie eine Bildhauerei-Ausbildung gemacht, und so ist sie hier nicht nur Autorin und Darstellerin, sondern sie hat auch die Ausstattung gemacht. Alles Papier, auch die königlichen Insignien und sogar das Kaffeehäferl der Großmutter. Das hat Stil und Suggestivkraft. Was in Italien einst so schön „Venticelli“ hieß, windige Gerüchtestreuer, wird hier gelöst, indem Helena May Heber zwecks Mobbing der Kollegin schlicht gefaltete Papierflieger Richtung Publikum schießt. Es geht alles ganz leicht und flauschig an dem Abend. Selbst der Strang für Queen Mary ist aus Papier gedreht.
Aufführungen bis 16. Mai im Kleinen Theater – www.kleinestheater.at
Bilder: Kleines Theater / Manfred Hesch