Spielen wir dann weiter?

OPÉRA DE MONACO / RHEINGOLD

03/03/25 Die von Cecilia Bartoli geführte Opéra de Monaco spielt erstmals Richard Wagners Rheingold. Ob die gesamte Tetralogie geplant ist, wird noch nicht verraten. Der Anfang jedenfalls ist opulent, könnte aber deutlichere Personenführung und mehr Interpretation vertragen.

Von Oliver Schneider

Wenn die Opéra de Monte-Carlo Wagners Ring fortsetzen will, liegt die Messlatte in Bezug auf den technischen Aufwand hoch. Der in Italien vielbeschäftigte und auch immer wieder ins monegassische Fürstentum eingeladene Davide Livermore und sein Regieteam haben für diese Neuproduktion nicht nur eine spektakuläre Videobilderflut (D-Wok) geschaffen.

Sie haben auch den vorderen Teil einer DC3 aus den dreißiger Jahren nachbauen lassen und auf der kleinen Bühne der Miniatur-Kopie der Pariser Opéra Garnier platziert. Regisseur Livermore erzählt den Vorabend im Fantasy-Stil aus der Sicht eines Buben, für den der Rhein ein Fluss voller Märchen und Gespenster ist.  Tauchend durch die Fluten – für die in dem mit 42 Metern tiefsten Schwimmbassins der Welt in Montegrotto Terme die Unterwasser-Videos erstellt wurden – landet die DC3 auf dem Grund des Rheins.

Dort entreißt Alberich den Rheintöchtern, die in den Kostümen von Gianluca Falaschi gerade aus dem Pariser Lido oder dem Moulin Rouge kommen könnten, die Amphore mit dem Gold. Weiter geht der Flug in die Götterwelt zwischen KI-erzeugten nadelgleichen Bergspitzen, danach ins Nibelungenreich, wo sich glühende Lavamassen vorwärts wälzen, und schließlich vor die Fassade des historistischen Casinos von Monte-Carlo – in dem sich auch der Garnier-Saal befindet. Zwischen den Bildern lässt der kleine Chronist die Zuschauerinnen und Zuschauer im Video an seinen Gedanken, die er schriftlich festhält, teilhaben: „Im Spiel bin ich der Bestimmer“, heißt es vor Loges und Wotans Abstieg in die Unterwelt.

Immer wieder taucht er auf. Um den Gang der Handlung zu steuern, wie es scheint, oder um Wotan zu begleiten. Worum es geht, kapieren wohl auch jene Besucher, die Wagners Werk zum ersten Mal sehen – selbst wenn etwa die Tarnkappe zur Pistole umgedeutet wird. Aus den Riesen werden Wikinger-Verschnitte. Die Göttermutter Erda ist eine Grande Dame im mondänen Fürstentum Ende des 19. Jahrhunderts und mit Ekaterina Semenchuk edel besetzt.

Die permanent ineinander übergehenden Bilder harmonieren gut mit Wagners Musik, beanspruchen aber als Konkurrenz für das sehr gute Spielen der in Salzburg bekannten Musiciens du Prince Monaco zu viel Aufmerksamkeit. Capuano und sein Orchester überzeugen mit einem sängerfreundlichen, durchsichtig modulierten und frischen Wagnerklang auf Originalinstrumenten, der das Haus optimal füllt. Für die sonst eher an größeren Häusern für Wagner engagierten Solistinnen und Solisten muss es eine Wohltat sein, wenn sie nicht forcieren müssen. Für den Zuschauer besteht der Vorteil darin, dass man nur ab und zu auf die französischen und englischen Übertitel blicken muss.

Péter Kálmán als gold- und machtgieriger Alberich und Michael Laurenz als sein mehr unterdrückter als hinterlistiger Mime ziehen in der besuchten zweiten Vorstellung mit ihrem Spiel und stimmlich am stärksten in Bann. Sie überzeugen mit ihrer klaren Diktion und erhalten zu Recht am Ende auch den größten Applaus. Den schlauen Loge, der mit List und Tücke Wotan und seiner Götterfamilie hilft, aber genau voraussieht, dass kein gutes Ende zu erwarten ist, gibt der rollenerprobte Wolfgang Ablinger-Sperrhacke. Christopher Purves singt den Wotan zwar sehr sonor und passend zum Gesamtklang schlank, wirkt aber neben den drei zuvor Genannten blass. Erst der erbeutete Ring lässt aus dem freundlichen Göttervater einen kalkulierenden Machtmensch werden. Stimmlich sehr gut besetzt sind die kleinen Götter. Mélissa Petit übernimmt neben der für die Götter so wichtigen Apfel-Hüterin Freia auch die Woglinde im Rheintöchter-Trio, das neben den übrigen Solisten in puncto Textverständlichkeit etwas abfällt. Wilhelm Schwinghammer besitzt die nötige Bassschwärze für den Brudermörder Fafner.

In Monte-Carlo hüllt man sich über eine zyklische Fortsetzung in Schweigen: Nach dem Rheingold-Auftakt mit Gianluca Capuano und seinem Orchester würde man sich das durchaus wünschen. Frage ist aber, ob es szenisch nicht doch etwas mehr Abwechslung braucht, als eine mal nach links mal nach rechts verschobene DC3. Eine deutlichere Personenführung und mehr Interpretation wären ebenfalls wünschenswert, um die Spannung über drei Abende zu halten. Kriegsbilder aus dem 20. Jahrhundert, wenn der Nibelungenschatz ans Tageslicht geschleppt wird, als Konnex zwischen Wagner und den deutschnationalen Grßmachtgelüsten, ohne weitere Erklärung zu zeigen, ist wohl neben dem fantasierenden Knaben nach der Rezeptionsgeschichte spätestens nach dem Chereau-Ring etwas zu wenig.

www.opera.mc
Bilder: OMC / Marco Borrelli