asdf
 

Wild, schräg, blutig – und sensible Filmkunst

BERLINALE

24/02/25 Am Tag der deutschen Bundestagswahl (23.2.) ging die 75. Berlinale zu Ende. Unter der neuen Intendanz der US-Amerikanerin Tricia Tuttle (zuvor Leiterin des London Film Festivals) hat sich das traditionell politischste aller großen Filmfestivals aber wieder etwas mehr als zuletzt sowohl der Filmkunst als Selbstzweck als auch dem Star-Glamour verschrieben.

Von Andreas Öttl

Das rosafarbene Red Carpet Outfit von Timothée Chalamet (Bob Dylan im Biopic Like a Complete Unknown) wird jedenfalls von der Jubiläumsausgabe ebenso in Erinnerung bleiben wie die dann doch politisch brisanten Statements von Ehrenpreisträgerin Tilda Swinton.

Auch bei den Preisträgerfilmen herrscht diesbezüglich eine gewisse Balance. Der Gewinner des Goldenen Bären, der norwegische Coming-of-Age Film Drømmer (Dreams Sex Love), liefert keinen großen weltpolitischen Kommentar ab wie manche, teilweise mittlerweile vergessene Gewinnerfilme der letzten Jahre. Er steht für ein sensibles, intimes, vor allem von seinen starken Charakteren getragenes Kino. O último azul (The Blue Trail), der von vielen Kritikern favorisierte Film von dem Brasilianer Gabriel Mascaro, erhielt den zweitwichtigsten Preis des Festivals, den Großen Preis der Jury. Der Film spielt in einer nahen Zukunft, in der alte Menschen für ihre letzten Lebensjahre in sogenannte Kolonien – in Wahrheit Lager – deportiert werden.

Ansonsten hatte der Wettbewerb ein großes Spektrum zu bieten, das vom Dokumentarfilm Timestamp über die Auswirkungen des Ukrainekriegs auf den dortigen Schulalltag bis zur irrwitzigen Spionagefilm-Hommage Reflet dans un diamont mort reichte. Dem in den letzten Jahren auf internationalen Festivals immer stärker präsenten Genrekino war auch die heurige Retrospektive gewidmet. Unter dem Motto „Wild, schräg, blutig“ wurden fünfzehn abseitige Filme der 1970er Jahre aus West- und Ostdeutschland präsentiert – symbolisch auch für die späte Rehabilitation dieser damals in die Bahnhofskinos verdrängten und von der seriösen Filmkritik als Schund abgestempelten Filme. Neben audiovisueller, künstlerisch aus heutiger Sicht bemerkenswerter Extravaganz, wie sie etwa Roland Klicks psychedelischer Spätwestern Deadlock (1970) zu bieten hat, konnte man aus diesen Zeitdokumenten aber auch viel über die gesellschaftliche und politische Situation der Zeit damals herauslesen. Dass diese bis heute ihre Spuren in der Welt hinterlassen hat, steht außer Frage. So hatte die Retrospektive aus dem Blickwinkel von 2025 also zusätzlich Relevanz.

Unter den österreichischen Beiträgen auf der heurigen Berlinale bekamen vor allem einige Debütfilme auf den Nebenschienen des Festivals gute Kritiken und wurden auch zu Publikumsfavoriten. Dies gilt vor allem für zwei Coming-of-Age Dramen, die nicht nur aufgrund ihrer langen Titel Eindruck hinterlassen haben: How to be normal and the Oddness of the Other World von Florian Pochlatko sowie Wenn du Angst hast nimmst du dein Herz in den Mund und lächelst von Marie Luise Lehner, die dafür den Teddy Award, den LGBTIQ-Filmpreis, bekam. Es wäre ihr zu wünschen, dass ihr eine ähnlich große Karriere wie jene von Jurypräsident Todd Haynes (er erhielt den Teddy Award 1991 für sein Debüt Poison) bevorsteht.

Die Preisträgerfilme - www.berlinale.de
Bilder: Berlinale / Motlys (1); Guillermo Garza,Desvia (1); Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion (1)

 

 

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014