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Therapieprogramm heute: Wir spielen Figaro

REST DER WELT / WIEN / FIGARO

13/04/15 TV-Regisseur Felix Breisach inszeniert Mozarts Le nozze die Figaro am Theater an der Wien, Marc Minkowski leitet die Musiciens du Louvre. Der Premiereneindruck am Samstagabend war durchwachsen.

Von Oliver Schneider

Wir befinden uns in einer von Chefarzt Almaviva geführten Psychiatrischen Klinik. Aus therapeutischen Gründen lässt dieser seine depressiven (vielleicht Basilio), verhaltensgestörten (vielleicht Marcellina, Susanna und Cherubino) und Suchtpatienten (Barbarina) Theater oder besser Oper spielen. Auf der Schiefertafel heißt es erst Parsifal. Während der Ouvertüre ändert Almaviva es noch rasch in Figaro, und nun kann ein toller Klinik-Tag beginnen. Die Idee hat ihre Berechtigung, nimmt die Zahl psychisch auffälliger Menschen doch ständig zu und gehören Mal- und Musiktherapie in der Psychiatrie längst zum Standard.

In den ersten beiden Akten geht das Konzept (Bühne: Jens Kilian, Kostüme: Doris Maria Aigner) auch recht gut auf, indem Regisseur Felix Breisach den Drive von Musik und Handlung gut ebensolche Ideen umwandelt. Schön herausgearbeitet ist in der Personenführung im zweiten Akt das – hier – ganz eindeutige Verhältnis zwischen Patient Cherubino und Chefarztgattin Gräfin Almaviva. Schon im ersten Akt scheint allerdings Almaviva immer wieder die Führung aus der Hand zu gleiten, zumal Assistent Figaro lieber eigene Entscheide trifft, als seinen Chef zu unterstützen. Mit dem Finale des zweiten Akts – die Patienten haben genug vom Theaterspielen und rebellieren – ist es mit der Autorität des Chefarztes endgültig vorbei, und eigentlich wird er selbst zum Patienten.

Ab diesem Moment hat man auch den Eindruck, dass Breisach, der in Salzburg im Hangar Mozarts Entführung inszeniert hat, nicht mehr so recht wusste, wie er den Knoten wieder auflösen soll. Die ohnehin absurde Gerichts-/Erkennungsszene ist für einmal wenigstens in einer Klinik am richtigen Ort, die Wirkung der nächtlichen Gartenszene dafür völlig verschenkt. Was will uns Breisach sagen, wenn alle nebeneinander unverkleidet und bei vollem Licht auf den Betten sitzen? Das Publikum reagierte am Samstag gespalten.

Musikalisch war der Eindruck am Premierenabend genau umgekehrt: Grob und vor allem mit dickem Pinsel tragen die Musiciens du Louvre Grenoble schon bei der Ouvertüre auf. Wie bei Minkowski nicht anders zu erwarten, treibt er den musikalischen Fluss von Anfang an mit Verve voran, hält die Musiker aber zum Glück im Laufe des Abends auch immer mal zu ein wenig Klangdelikatesse an. Es sind schließlich vor allem die Arien der Gräfin und Susannas Rosenarie, die dank der in den Momenten sensiblen Begleitung in Erinnerung bleiben.

Auf der Sängerseite muss man sich mit mehrheitlich solidem Mittelmaß und wenigen herausragenden Leistungen begnügen. Annett Fritsch als Chefarztgattin mit Noblesse verfügt über einen schön abgerundeten Sopran, kämpft aber mit Schärfen im hohen Register. Emóke Baráth ist eine Susanna, die man sich darstellerisch noch quirliger vorstellen kann, deren Sopran aber durchaus bereits ein gewisses Charisma besitzt.

Stéphane Dégout ist unanfechtbar der stimmliche – und spielerische – Mittelpunkt des Abends. Er punktet mit seinem kernigen Stimmklang und weiss mit einer Vielzahl von Ausdrucksnuancen zu überzeugen. Auch schauspielerisch ist er ein Idealfall für Breisachs Figaro. Zumindest im letzteren Punkt kann auch Alex Esposito als Figaro mithalten. Sseine Stimme wirkt hingegen zu farbenarm. Ausserdem nutzt er die Möglichkeiten, mit der Dynamik zu spielen, zu wenig.

Ingeborg Gillebo gibt einen zurückhaltenden Cherubino, Helena Schneidermann dafür eine umso präsentere Marcellina, die ihrem Gatten Bartolo (schwach Peter Kálmán) bei seiner Arie im ersten Akt auch regiebedingt soufflieren muss. Sunnyboy Dladla ist ein zuverlässiger Basilio, aber alles andere als ein Intrigant, Zoltán Nágy ein aufgewerteter Hausmeister Antonio, Gan-ya Ben-Gur Akselrod eine bestens ins Regiekonzept integrierte Barbarina.

Weitere Vorstellungen: 13., 15., 18., 20. und 22. April – www.theater-wien.at
Bilder: Theater an der Wien / Herwig Prammer

 

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