Das Licht aus dem Osten
REST DER WELT / GRAZ / PSALM
07/04/15 Am 24. April 1915 begann das Genozid am armenischen Volk. Erst langsam erholte sich das Volk von diesen schrecklichen Zeiten. Das Osterfestival Psalm in Graz widmete sich in zwei Konzerten der armenischen Musik – eine wahre Fundgrube.
Von Wolfgang Stern
Einer Duduk (ein armenisches Doppelrohrblattinstrument) kam man sehr warme, beruhigende und melancholische Töne entlocken. Die Kamantsche, eine Art Stachelfidel mit rundem Resonanzkörper und langem Hals (beim Spielen auf den Oberschenkel gestellt) ist als Streichinstrument ideale Ergänzung dann, wenn es um authentische armenische Musik geht. Hinzu gesellten sich vier Musiker von Hespèrion XXI, Jordi Savall war Sachwalter über eine 18teiligen Programmfolge von feinsinnig ausgewählten armenischen Stücken. Eine Dame und sieben Herren (Orgel, Fidel, Diskantgambe, Rebec und Schlagzeug kamen noch zum Einsatz) überraschten das Publikum, das aufmerksam und gespannt den sehr an den Orient erinnernden Tonfolgen lauschte. Bewusst wurde auf ein Spektakel und viel Dramaturgie verzichtet, mit der Schlichtheit konnte man überzeugen. Etwas zum Seelen-Baumeln.
Im Laufe des Abends zeigte sich auch, dass Improvisation mit einfachen Mitteln auf einer Duduk ausdrucksstark zur Geltung kommt, dass überhaupt uns eher unbekannte Musik fesselt und, wenn man einmal in diesem schönen Land Armenien gewesen ist, zu einem besseren Verständnis über das Leid diese Volkes beitragen kann. Melancholie und Trauer sind der Musik eigen.
Die Begegnung mit bei uns eher unbekannten Komponisten wie Sayat Nova, Tigran Tchukhadjian, Barde Djivan oder Gusan Ashot trug zur Horizonterweiterung bei. Aram Movsisyav, der sich im armenischen Volksgesang ausbilden ließ, brachte mit seiner betörend natürlichen Stimme Liedtexte zu Gehör, in denen es nicht nur um Leid und Schmerz ging, sondern auch Liebe, Hochzeit und Kampf Inhalt war.
Tags darauf, am Karfreitag, dann das Armenische Requiem, das 2011 in Berlin uraufgeführt worden war. Einer der führenden armenischen Komponisten der Gegenwart, Tigran Mansurian (Jahrgang 1939), wurzelt stilistisch in der alten armenischen Musikkultur. Trauermusik pur. Vieles ist eher in langsamen Tempi gehalten, dazwischen ein aufrührerisches, rhythmisches Kyrie, ein Aufbäumen gegen Gewalt und Ungerechtigkeit. Es waren 41 Minuten, die vom Recreation-Streichorchester unter Christian Muthspiel, den Solisten Shirin Asgari (Sopran) und Günter Haumer (Bariton) und dem besonders herausgeforderten Vocalforum Graz (Leitung: Franz M. Herzog) mit Ausdruck und viel Gefühl vorgetragen wurden.
„Licht aus dem Osten“ war Motto des Festivals „Psalm 2015“ in Graz. Dazu passte gut ein musikalisch ausgemalter Sonnenaufgang: Im Morgengrauen des Palmsonntag – um 6.15 Uhr – hatten sich dazu rund 250 Besucher auf dem Plateau des Schöckl eingefunden. Timna Brauer hat die Konzertfolge am Ostermontag mit einem Programm rund um den Sehnsuchtsort Jerusalem abgeschlossen hat. Auch Raritätenprogramme hätten das Festival mehrmals „an seine Kapazitätsgrenze gebracht“ vermelden die Veranstalter. Die 4.662 Besucher heuer seien 17 Prozent mehr als im bisherigen Spitzenjahr 2014.