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Unheil'ge Nacht und grelle Träume

OPER GRAZ / BRITTEN / SOMMERNACHTSTRAUM

12/05/25 Schrottplatz? Autosalon? Kunstinstallation? Am ehesten Schrottplatz. Obwohl die Autos noch alle ganz gut ausschauen. Fensterscheiben freilich haben sie keine – und so können Elfen, Menschen und Urgeister geschmeidig in den schützenden Karosserien verschwinden oder auf einer Rückbank ihr Lotterbett aufschlagen... Die Oper Graz verzaubert mit Benjamin Brittens A Midsummer Night's Dream.

Von Heidemarie Klabacher

Der poetische, feenhafte, so kundig wie schamlos alle Winkel der menschlichen Seele ausleuchtende Sommernachtstraum von Shakespeare wird in seiner betörenden Wirkung beinah noch gesteigert durch die Musik von Benjamin Britten. A Midsummer Night's Dream feierte in der Regie von Bernd Mottl am Samstag (10.5.) bejubelte Premiere in der Oper Graz.

Benjamin Britten hat in seiner 1960 uraufgeführten Oper dem Feenreich Wesen mit hohen Stimmen – Countertenor, Koloratursopran, Knabenchor – und einen flirrenden Orchestersound geschenkt. Harfe, Celesta, Cembalo und die ganze flirrende Bandbreite der Perkussionsinstrumente zwischen Glockenspiel, Xylophon & Co liefern betörende ander-weltliche Klänge. Den Handwerkern für das Spiel im Spiel – hier sind es passend zum Autothema – Mechaniker, hat der Komponist Männer- und Orchesterstimmen im tieferen Bereich verpasst, während die Liebespaare stimmlich im Normalbereich von Sopran, Mezzo, Tenor und Bass angesiedelt sind – und darob beinah umso umso fremder klingen. Benjamin Britten und Peter Pears haben sich mit ihrem Libretto, bis auf einige Kürzungen (sonst wäre die Oper auf Ring-Länge gekommen), eng an Shakespeare gehalten, haben aber etwa den Athen-Akt weg- und die Menschen gleich auf das Feenreich los-gelassen.

Für dieses hat in der Oper Graz Friedrich Eggert einen Autofriedhof inklusive Schrottgreifer so souverän auf die Bühne gestellt, als müsste das so sein. Natur? Wald? Nicht nötig, wenn die Scheinwerfer und Bremslichter delikat zu blinken anfangen, wenn Puck den Saft der Zauberblume zum Einsatz bringt. Dass es keine Sicherheit in der Liebe gibt wird zwischen Autoblech und Reifengummi nicht weniger anschaulich gemacht, als sonst halt in Hain und Flur, Blume und Baum. Tatsächlich bringt die Abstraktion das Elfenwesen besonders nahe. Und die „installativ“ aufgetürmten Vehikel bieten ideale Höhlen, Gänge, Verstecke, Liebesnester und Schlafplätze für erschöpfte und/oder verzauberte Feen, Pärchen und und Mechaniker. Für sie schuf Alfred Mayerhofer grell glitzernde bzw. alltags- und werkstatt-taugliche Kostüme. Es kommt in dieser Produktion alles mit Understatement daher. Geschlechtergrenzen werden mit ironischer Leichtigkeit bespielt.

Die Grazer Philharmoniker brillieren unter der Leitung von Johannes Braun im feinen Glitzern des Elfenwesens wie im deftigen Stampfen des Rüpelspiels. Delikat herausgearbeitet werden die vielfältigen musikalischen Anspielungen und Zitate Brittens – immer wieder meint man etwa Purcell zu hören. Die Besetzung Oberons mit einem Countertenor verstärkt den Eindruck von Déjà-vus aus der alten Musik. Das Vokalensemble ist idealtypisch gecastet und bietet sängerische und darstellerische Höchtleistungen. Voran als Oberon und Tytania Rafał Tomkiewicz und Ekaterina Solunya. Als Puck treibt Fausto Israel sein irrlichterndes Wesen. Die Liebenden – Ted Black als Lysander, Nikita Ivasechko als Demetrius, Sofia Vinnik als Hermia und Sieglinde Feldhofer als Helena – leiden und lieben und singen bewegend.

Beinah rührend in ihrem Streben nach der wahren Schauspielkunst – und gesanglich ebenso bravourous wie in der Zeichnung ihrer jeweiligen eigensinnigen Charaktere – sind die Handwerker: Ivan Oreščanin als Bottom, Will Frost als Quince, Martin Fournier als Flute, Wilfried Zelinka als Snug, Euiyoung Peter Oh als Snout und Markus Butter als Starveling. Besondere Klangfarben und sphärischen Glitzerklang bescheren, einstudiert von Andrea Fournier, als Elfengefolge die Kinder und Jugendlichen der Grazer Singschu'l. Geheimnisvoll sind die Mensch-Tierwesen – Köpfe von Affe, Bär, Eber, Wolf, Löwe und Stier auf den Körpern von ausgewachsenen Bodybuildern – die in der Choreographie von Christoph Jonas schattengleich auftauchen und verschwinden und eine geradezu archaische Ebene ins Spiel einziehen.

A Midsummer Night's Dream – Aufführungen in der Oper Graz bis 29. Juni – oper-graz.buehnen-graz.com
Bilder: Oper Graz / Werner Kmetitsch
 

 

 

 

 

 

 

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